Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein h und
bald durch die Verdoplung der Selbstlaute, i aus-
genommen, dessen Dehnung wir durch ein dabey
geseztes e ausdrücken. Aber oft lassen wir diese Be-
zeichnungen, das e ausgenommen, weg. Sich dar-
über zu vergleichen, in welchen Wörtern von denen,
wo das Zeichen fehlt, das h, und in welchen die
Verdoplung gebraucht werden solte, würde schwe-
rer seyn, als darüber überein zu kommen, daß man
ein allgemeines Zeichen der Dehnung einführen wol-
te. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das
h auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den
Selbstlauten. Es käme hier darauf an, den Zug
so zu machen, und so anzubringen, daß das Auge
dabey nichts zu erinnern hätte. Doch eh wir zu
einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur
Weglassung ungehörter Buchstaben kommen, wird
wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben schon
manche thun wollen; aber es ist ihnen mislungen,
weil sie es auf Einmal haben ganz thun wollen.
Vielleicht würd es eher gelingen, wenn man nach
und nach immer ein wenig in der Sache vornäme.
Jst dieß zu hoffen; so ist es auch gut anzufangen.
Womit? Das ist fast gleichgültig. Wenn es nun
einen gäbe, dessen Auge z. E. durch kommt, nimmt
eben so sehr beleidigt würde, als jezo eines jeden
Auge durch Freundschafft, Krafft (welches vor kur-
zem noch da war) würde beleidigt werden; und die-
ser also lieber komt nimt, als kommt nimmt
schriebe: so würde man es ihm wenigstens denn
doch wol verzeihen, daß er ein so grillenhaftes Auge
hätte, und daher auf die angeführte Art schriebe.
Auch würde man wol nicht sagen können, daß er
mit zu Vielem auf Einmal anfinge, wenn er zu-

gleich

Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein h und
bald durch die Verdoplung der Selbſtlaute, i aus-
genommen, deſſen Dehnung wir durch ein dabey
geſeztes e ausdruͤcken. Aber oft laſſen wir dieſe Be-
zeichnungen, das e ausgenommen, weg. Sich dar-
uͤber zu vergleichen, in welchen Woͤrtern von denen,
wo das Zeichen fehlt, das h, und in welchen die
Verdoplung gebraucht werden ſolte, wuͤrde ſchwe-
rer ſeyn, als daruͤber uͤberein zu kommen, daß man
ein allgemeines Zeichen der Dehnung einfuͤhren wol-
te. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das
h auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den
Selbſtlauten. Es kaͤme hier darauf an, den Zug
ſo zu machen, und ſo anzubringen, daß das Auge
dabey nichts zu erinnern haͤtte. Doch eh wir zu
einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur
Weglaſſung ungehoͤrter Buchſtaben kommen, wird
wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben ſchon
manche thun wollen; aber es iſt ihnen mislungen,
weil ſie es auf Einmal haben ganz thun wollen.
Vielleicht wuͤrd es eher gelingen, wenn man nach
und nach immer ein wenig in der Sache vornaͤme.
Jſt dieß zu hoffen; ſo iſt es auch gut anzufangen.
Womit? Das iſt faſt gleichguͤltig. Wenn es nun
einen gaͤbe, deſſen Auge z. E. durch kommt, nimmt
eben ſo ſehr beleidigt wuͤrde, als jezo eines jeden
Auge durch Freundſchafft, Krafft (welches vor kur-
zem noch da war) wuͤrde beleidigt werden; und die-
ſer alſo lieber komt nimt, als kommt nimmt
ſchriebe: ſo wuͤrde man es ihm wenigſtens denn
doch wol verzeihen, daß er ein ſo grillenhaftes Auge
haͤtte, und daher auf die angefuͤhrte Art ſchriebe.
Auch wuͤrde man wol nicht ſagen koͤnnen, daß er
mit zu Vielem auf Einmal anfinge, wenn er zu-

gleich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0311" n="235"/>
Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein <hi rendition="#fr">h</hi> und<lb/>
bald durch die <hi rendition="#fr">Verdoplung</hi> der Selb&#x017F;tlaute, <hi rendition="#fr">i</hi> aus-<lb/>
genommen, de&#x017F;&#x017F;en Dehnung wir durch ein dabey<lb/>
ge&#x017F;eztes <hi rendition="#fr">e</hi> ausdru&#x0364;cken. Aber oft la&#x017F;&#x017F;en wir die&#x017F;e Be-<lb/>
zeichnungen, das <hi rendition="#fr">e</hi> ausgenommen, weg. Sich dar-<lb/>
u&#x0364;ber zu vergleichen, in welchen Wo&#x0364;rtern von denen,<lb/>
wo das Zeichen fehlt, das <hi rendition="#fr">h</hi>, und in welchen die<lb/><hi rendition="#fr">Verdoplung</hi> gebraucht werden &#x017F;olte, wu&#x0364;rde &#x017F;chwe-<lb/>
rer &#x017F;eyn, als daru&#x0364;ber u&#x0364;berein zu kommen, daß man<lb/>
ein allgemeines Zeichen der Dehnung einfu&#x0364;hren wol-<lb/>
te. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das<lb/><hi rendition="#fr">h</hi> auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den<lb/>
Selb&#x017F;tlauten. Es ka&#x0364;me hier darauf an, den Zug<lb/>
&#x017F;o zu machen, und &#x017F;o anzubringen, daß das Auge<lb/>
dabey nichts zu erinnern ha&#x0364;tte. Doch eh wir zu<lb/>
einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur<lb/>
Wegla&#x017F;&#x017F;ung ungeho&#x0364;rter Buch&#x017F;taben kommen, wird<lb/>
wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben &#x017F;chon<lb/>
manche thun wollen; aber es i&#x017F;t ihnen mislungen,<lb/>
weil &#x017F;ie es auf Einmal haben ganz thun wollen.<lb/>
Vielleicht wu&#x0364;rd es eher gelingen, wenn man <hi rendition="#fr">nach</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">nach</hi> immer ein wenig in der Sache vorna&#x0364;me.<lb/>
J&#x017F;t dieß zu hoffen; &#x017F;o i&#x017F;t es auch gut anzufangen.<lb/>
Womit? Das i&#x017F;t fa&#x017F;t gleichgu&#x0364;ltig. Wenn es nun<lb/>
einen ga&#x0364;be, de&#x017F;&#x017F;en Auge z. E. durch <hi rendition="#fr">kommt, nimmt</hi><lb/>
eben &#x017F;o &#x017F;ehr beleidigt wu&#x0364;rde, als jezo eines jeden<lb/>
Auge durch <hi rendition="#fr">Freund&#x017F;chafft, Krafft</hi> (welches vor kur-<lb/>
zem noch da war) wu&#x0364;rde beleidigt werden; und die-<lb/>
&#x017F;er al&#x017F;o lieber <hi rendition="#fr">komt nimt</hi>, als <hi rendition="#fr">kommt nimmt</hi><lb/>
&#x017F;chriebe: &#x017F;o wu&#x0364;rde man es ihm wenig&#x017F;tens denn<lb/>
doch wol verzeihen, daß er ein &#x017F;o grillenhaftes Auge<lb/>
ha&#x0364;tte, und daher auf die angefu&#x0364;hrte Art &#x017F;chriebe.<lb/>
Auch wu&#x0364;rde man wol nicht &#x017F;agen ko&#x0364;nnen, daß er<lb/>
mit zu <hi rendition="#fr">Vielem auf Einmal</hi> anfinge, wenn er zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gleich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0311] Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein h und bald durch die Verdoplung der Selbſtlaute, i aus- genommen, deſſen Dehnung wir durch ein dabey geſeztes e ausdruͤcken. Aber oft laſſen wir dieſe Be- zeichnungen, das e ausgenommen, weg. Sich dar- uͤber zu vergleichen, in welchen Woͤrtern von denen, wo das Zeichen fehlt, das h, und in welchen die Verdoplung gebraucht werden ſolte, wuͤrde ſchwe- rer ſeyn, als daruͤber uͤberein zu kommen, daß man ein allgemeines Zeichen der Dehnung einfuͤhren wol- te. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das h auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den Selbſtlauten. Es kaͤme hier darauf an, den Zug ſo zu machen, und ſo anzubringen, daß das Auge dabey nichts zu erinnern haͤtte. Doch eh wir zu einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur Weglaſſung ungehoͤrter Buchſtaben kommen, wird wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben ſchon manche thun wollen; aber es iſt ihnen mislungen, weil ſie es auf Einmal haben ganz thun wollen. Vielleicht wuͤrd es eher gelingen, wenn man nach und nach immer ein wenig in der Sache vornaͤme. Jſt dieß zu hoffen; ſo iſt es auch gut anzufangen. Womit? Das iſt faſt gleichguͤltig. Wenn es nun einen gaͤbe, deſſen Auge z. E. durch kommt, nimmt eben ſo ſehr beleidigt wuͤrde, als jezo eines jeden Auge durch Freundſchafft, Krafft (welches vor kur- zem noch da war) wuͤrde beleidigt werden; und die- ſer alſo lieber komt nimt, als kommt nimmt ſchriebe: ſo wuͤrde man es ihm wenigſtens denn doch wol verzeihen, daß er ein ſo grillenhaftes Auge haͤtte, und daher auf die angefuͤhrte Art ſchriebe. Auch wuͤrde man wol nicht ſagen koͤnnen, daß er mit zu Vielem auf Einmal anfinge, wenn er zu- gleich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/311
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/311>, abgerufen am 22.11.2024.