wol in keiner die Zahl jener Umendungen festgesezt haben. Mich deucht, ich kann schon jezt fragen, ob man diese und ahnliche Kunstwörter nur so eben in Vorbeygehen bemerken, und sie dadurch lernen, oder ob man sich darauf einlassen wolle, die lateinischen Kunstwörter dem Gedächtnis mühsam einzuprägen, und die Erklärungen derselben, die nur selten kurz seyn können, auszuhören? Denn man will denn doch wol mit dem fremden und daher schwer zu be- haltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Jch habe gesagt, daß die Erklärungen der lateinischen Kunstwörter nur selten kurz seyn können. Die Ut- sache davon liegt in ihrer Beschaffenheit. Sie sind nämlich oft weit hergeholt und haben zu allgemeine Begriffe, als daß sie das Ding, wovon die Rede ist, genau bestimmen solten: bisweilen sind sie so gar widersinnig. Was mir, wenn z. E. die Um- endung ist des Stromes, wie mir es vorkömt der Sache gemaß Verkürzung nennen könten (Es ist offenbar Verkürzung, wenn man z. E. der Zweig des Baumes sagt. Denn könte man nicht so umenden, so müste man sagen: Der Zweig, den der Baum hat, der auf dem Baume wachst, oder welche verlängernde Redensart man sonst wählen wolte) was wir Verkürzung nennen könten, das nent man im Lateinischen Genitivus casus, oder Zeugeendung auf eine sehr weit hergeholte Art. La- teinische Kunstwörter sind ferner: indicativus mo- dus oder anzeigungsweise: conjunctivus modus, verbindungsweise; imperativus modus, befehls- weise; und infinitivus modus, auf unbestimte Weise. Das, wovon hier geredet wird, ist, durch diese Kunstwörter, befehlsweise ausgenommen, so ziemlich ins Weite hin angedeutet worden. Wenn
ich
wol in keiner die Zahl jener Umendungen feſtgeſezt haben. Mich deucht, ich kann ſchon jezt fragen, ob man dieſe und ahnliche Kunſtwoͤrter nur ſo eben in Vorbeygehen bemerken, und ſie dadurch lernen, oder ob man ſich darauf einlaſſen wolle, die lateiniſchen Kunſtwoͤrter dem Gedaͤchtnis muͤhſam einzupraͤgen, und die Erklaͤrungen derſelben, die nur ſelten kurz ſeyn koͤnnen, auszuhoͤren? Denn man will denn doch wol mit dem fremden und daher ſchwer zu be- haltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Jch habe geſagt, daß die Erklaͤrungen der lateiniſchen Kunſtwoͤrter nur ſelten kurz ſeyn koͤnnen. Die Ut- ſache davon liegt in ihrer Beſchaffenheit. Sie ſind naͤmlich oft weit hergeholt und haben zu allgemeine Begriffe, als daß ſie das Ding, wovon die Rede iſt, genau beſtimmen ſolten: bisweilen ſind ſie ſo gar widerſinnig. Was mir, wenn z. E. die Um- endung iſt des Stromes, wie mir es vorkoͤmt der Sache gemaß Verkuͤrzung nennen koͤnten (Es iſt offenbar Verkuͤrzung, wenn man z. E. der Zweig des Baumes ſagt. Denn koͤnte man nicht ſo umenden, ſo muͤſte man ſagen: Der Zweig, den der Baum hat, der auf dem Baume wachſt, oder welche verlaͤngernde Redensart man ſonſt waͤhlen wolte) was wir Verkuͤrzung nennen koͤnten, das nent man im Lateiniſchen Genitivus caſus, oder Zeugeendung auf eine ſehr weit hergeholte Art. La- teiniſche Kunſtwoͤrter ſind ferner: indicativus mo- dus oder anzeigungsweiſe: conjunctivus modus, verbindungsweiſe; imperativus modus, befehls- weiſe; und infinitivus modus, auf unbeſtimte Weiſe. Das, wovon hier geredet wird, iſt, durch dieſe Kunſtwoͤrter, befehlsweiſe ausgenommen, ſo ziemlich ins Weite hin angedeutet worden. Wenn
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wol in keiner die Zahl jener Umendungen feſtgeſezt
haben. Mich deucht, ich kann ſchon jezt fragen, ob
man dieſe und ahnliche Kunſtwoͤrter nur ſo eben in
Vorbeygehen bemerken, und ſie dadurch lernen, oder
ob man ſich darauf einlaſſen wolle, die lateiniſchen
Kunſtwoͤrter dem Gedaͤchtnis muͤhſam einzupraͤgen,
und die Erklaͤrungen derſelben, die nur ſelten kurz
ſeyn koͤnnen, auszuhoͤren? Denn man will denn
doch wol mit dem fremden und daher ſchwer zu be-
haltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Jch
habe geſagt, daß die Erklaͤrungen der lateiniſchen
Kunſtwoͤrter nur ſelten kurz ſeyn koͤnnen. Die Ut-
ſache davon liegt in ihrer Beſchaffenheit. Sie ſind
naͤmlich oft weit hergeholt und haben zu allgemeine
Begriffe, als daß ſie das Ding, wovon die Rede
iſt, genau beſtimmen ſolten: bisweilen ſind ſie ſo
gar widerſinnig. Was mir, wenn z. E. die Um-
endung iſt des Stromes, wie mir es vorkoͤmt
der Sache gemaß Verkuͤrzung nennen koͤnten
(Es iſt offenbar Verkuͤrzung, wenn man z. E. der
Zweig des Baumes ſagt. Denn koͤnte man nicht
ſo umenden, ſo muͤſte man ſagen: Der Zweig, den
der Baum hat, der auf dem Baume wachſt, oder
welche verlaͤngernde Redensart man ſonſt waͤhlen
wolte) was wir Verkuͤrzung nennen koͤnten, das
nent man im Lateiniſchen Genitivus caſus, oder
Zeugeendung auf eine ſehr weit hergeholte Art. La-
teiniſche Kunſtwoͤrter ſind ferner: indicativus mo-
dus oder anzeigungsweiſe: conjunctivus modus,
verbindungsweiſe; imperativus modus, befehls-
weiſe; und infinitivus modus, auf unbeſtimte
Weiſe. Das, wovon hier geredet wird, iſt, durch
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/306>, abgerufen am 25.11.2024.
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