vergangne sezen; jene sagen ich bin gegangen, wo diese, und zwar Volk, Geselschaften, und Scri- benten ich ging sagen. Wer soll hier entscheiden? Weil auch die südlichen Scribenten sagen ich ging; so wird die Sache durch ihren Beytritt entschieden. Wie gebildet eine Sprache auch seyn möge; so ist in ihr doch immer etwas vorhanden, das der Ge- brauch noch nicht festgesezt hat. Jndem hiervon dieß oder das von Zeit zu Zeit festgesezt wird, so ist indeß wieder etwas aufgekommen, wobey man von neuem schwankt. Hierher gehört z. E. ob man leisen Tritts oder leises Tritts sagen solle; ob- gleich jeder stehendes Fusses sagt. Bey rief oder rufte schwankt man nicht; denn es ist ausgemacht, daß beydes angehe. Hingegen ist bey pries und preiste die Festsezung des pries ganz nahe. Bey den Hülfswörtern seyn und haben werden wir wol nie zur völligen Festsezung gelangen. Verdient ha- ben wir es wenigstens, daß es nie geschehe. Denn warum fanden wir nötig, zu einerley Bedeutung zwey Hülfswörter anzunehmen. Der Grammati- ker kann ausserdem, daß er das Festgesezte in so wenige und so kurze Regeln fast, als es der Voll- ständigkeit unbeschadet nur immer angeht, auch über das Festzusezende seine Meinung sagen; aber wenn er glaubt, daß er die Sache dadurch entscheide, so irt er sich. Denn er hat nur Eine Stimme. Er muß mit andern ehrlichen Leuten geduldig abwarten, was der Tyrann für ein Endurtheil fällen werde. Jch habe den Kanzleystyl mit Bedacht ausgelassen. Er gehört eben so wenig zur Sprache, als die Mundarten dazu gehören. Ob ein obersächsischer Dichter Truz anstatt Troz seze; ein niedersäch- sischer Fach und Tag reime; ein schweizerischer in
Musik
vergangne ſezen; jene ſagen ich bin gegangen, wo dieſe, und zwar Volk, Geſelſchaften, und Scri- benten ich ging ſagen. Wer ſoll hier entſcheiden? Weil auch die ſuͤdlichen Scribenten ſagen ich ging; ſo wird die Sache durch ihren Beytritt entſchieden. Wie gebildet eine Sprache auch ſeyn moͤge; ſo iſt in ihr doch immer etwas vorhanden, das der Ge- brauch noch nicht feſtgeſezt hat. Jndem hiervon dieß oder das von Zeit zu Zeit feſtgeſezt wird, ſo iſt indeß wieder etwas aufgekommen, wobey man von neuem ſchwankt. Hierher gehoͤrt z. E. ob man leiſen Tritts oder leiſes Tritts ſagen ſolle; ob- gleich jeder ſtehendes Fuſſes ſagt. Bey rief oder rufte ſchwankt man nicht; denn es iſt ausgemacht, daß beydes angehe. Hingegen iſt bey pries und preiſte die Feſtſezung des pries ganz nahe. Bey den Huͤlfswoͤrtern ſeyn und haben werden wir wol nie zur voͤlligen Feſtſezung gelangen. Verdient ha- ben wir es wenigſtens, daß es nie geſchehe. Denn warum fanden wir noͤtig, zu einerley Bedeutung zwey Huͤlfswoͤrter anzunehmen. Der Grammati- ker kann auſſerdem, daß er das Feſtgeſezte in ſo wenige und ſo kurze Regeln faſt, als es der Voll- ſtaͤndigkeit unbeſchadet nur immer angeht, auch uͤber das Feſtzuſezende ſeine Meinung ſagen; aber wenn er glaubt, daß er die Sache dadurch entſcheide, ſo irt er ſich. Denn er hat nur Eine Stimme. Er muß mit andern ehrlichen Leuten geduldig abwarten, was der Tyrann fuͤr ein Endurtheil faͤllen werde. Jch habe den Kanzleyſtyl mit Bedacht ausgelaſſen. Er gehoͤrt eben ſo wenig zur Sprache, als die Mundarten dazu gehoͤren. Ob ein oberſaͤchſiſcher Dichter Truz anſtatt Troz ſeze; ein niederſaͤch- ſiſcher Fach und Tag reime; ein ſchweizeriſcher in
Muſik
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vergangne ſezen; jene ſagen ich bin gegangen, wo
dieſe, und zwar Volk, Geſelſchaften, und Scri-
benten ich ging ſagen. Wer ſoll hier entſcheiden?
Weil auch die ſuͤdlichen Scribenten ſagen ich ging;
ſo wird die Sache durch ihren Beytritt entſchieden.
Wie gebildet eine Sprache auch ſeyn moͤge; ſo iſt
in ihr doch immer etwas vorhanden, das der Ge-
brauch noch nicht feſtgeſezt hat. Jndem hiervon
dieß oder das von Zeit zu Zeit feſtgeſezt wird, ſo iſt
indeß wieder etwas aufgekommen, wobey man von
neuem ſchwankt. Hierher gehoͤrt z. E. ob man
leiſen Tritts oder leiſes Tritts ſagen ſolle; ob-
gleich jeder ſtehendes Fuſſes ſagt. Bey rief oder
rufte ſchwankt man nicht; denn es iſt ausgemacht,
daß beydes angehe. Hingegen iſt bey pries und
preiſte die Feſtſezung des pries ganz nahe. Bey
den Huͤlfswoͤrtern ſeyn und haben werden wir wol
nie zur voͤlligen Feſtſezung gelangen. Verdient ha-
ben wir es wenigſtens, daß es nie geſchehe. Denn
warum fanden wir noͤtig, zu einerley Bedeutung
zwey Huͤlfswoͤrter anzunehmen. Der Grammati-
ker kann auſſerdem, daß er das Feſtgeſezte in ſo
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ſtaͤndigkeit unbeſchadet nur immer angeht, auch uͤber
das Feſtzuſezende ſeine Meinung ſagen; aber wenn
er glaubt, daß er die Sache dadurch entſcheide, ſo
irt er ſich. Denn er hat nur Eine Stimme. Er
muß mit andern ehrlichen Leuten geduldig abwarten,
was der Tyrann fuͤr ein Endurtheil faͤllen werde.
Jch habe den Kanzleyſtyl mit Bedacht ausgelaſſen.
Er gehoͤrt eben ſo wenig zur Sprache, als die
Mundarten dazu gehoͤren. Ob ein oberſaͤchſiſcher
Dichter Truz anſtatt Troz ſeze; ein niederſaͤch-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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