chisch. Das Volk allein (der ganz geringe Mann wird beynah niemals mit darunter begriffen) kann nur in wenigen Fällen entscheiden, z. E. wenn es darauf ankomt die Beschäftigungen, und die Werk- zeuge des Handwerkers oder des Ackermanns zu be- nennen. Damit wird gleichwol nicht gemeint, daß man die Ausdrücke des Volkes in allen andern Punk- ten der Aufmerksamkeit völlig unwürdig halten solle. Jn einigen Gegenden sagt es z. E. die Syndicusse. Vielleicht endigen wir noch mit der Zeit kürzere Na- men, als die Brutusse, eben so; aber mit den län- gern, als die Pompiliusse wird es wol nicht ge- schehn, weil sie schleppend seyn würden. Die guten Geselschaften solten natürlicher Weise viel mehr entscheiden können. Weil sich aber bey uns fast Nie- mand etwas daraus macht, seine Sprache auch nur richtig zu sprechen; und weil man so gar in denen Geselschaften, welche den Namen der guten vorzüg- lich verdienen, oft aus dem Französischen übersezt, indem man deutsch spricht, und dieß wol so wörtlich thut, daß man denen, die nur deutsch wissen, völlig unverständlich ist; so würde es sonderbar seyn, wenn sich die Geselschaften mehr als das Volk anmaassen wolten. Sie, und das Volk sagen z. E. lehre mir; und gleichwol ist lehre mich allein deutsch. Die guten Scribenten sind es also, auf deren Beyspiel es vornämlich ankomt. Wie gern überliessen sie den Geselschaften einen Theil ihrer Bürde. Aber diese wollen ja nun einmal nicht; am wenigsten wollen es die, welche man an Höfen sieht, und sie manch- mal so ziemlich blindlings für die besten hält. Man kann sich hier eine scheinbar schwere Frage einfallen lassen. Die südlichen Deutschen sezen gewönlich da die langvergangne Zeit, wo die nördlichen die jüngst-
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chiſch. Das Volk allein (der ganz geringe Mann wird beynah niemals mit darunter begriffen) kann nur in wenigen Faͤllen entſcheiden, z. E. wenn es darauf ankomt die Beſchaͤftigungen, und die Werk- zeuge des Handwerkers oder des Ackermanns zu be- nennen. Damit wird gleichwol nicht gemeint, daß man die Ausdruͤcke des Volkes in allen andern Punk- ten der Aufmerkſamkeit voͤllig unwuͤrdig halten ſolle. Jn einigen Gegenden ſagt es z. E. die Syndicuſſe. Vielleicht endigen wir noch mit der Zeit kuͤrzere Na- men, als die Brutuſſe, eben ſo; aber mit den laͤn- gern, als die Pompiliuſſe wird es wol nicht ge- ſchehn, weil ſie ſchleppend ſeyn wuͤrden. Die guten Geſelſchaften ſolten natuͤrlicher Weiſe viel mehr entſcheiden koͤnnen. Weil ſich aber bey uns faſt Nie- mand etwas daraus macht, ſeine Sprache auch nur richtig zu ſprechen; und weil man ſo gar in denen Geſelſchaften, welche den Namen der guten vorzuͤg- lich verdienen, oft aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſezt, indem man deutſch ſpricht, und dieß wol ſo woͤrtlich thut, daß man denen, die nur deutſch wiſſen, voͤllig unverſtaͤndlich iſt; ſo wuͤrde es ſonderbar ſeyn, wenn ſich die Geſelſchaften mehr als das Volk anmaaſſen wolten. Sie, und das Volk ſagen z. E. lehre mir; und gleichwol iſt lehre mich allein deutſch. Die guten Scribenten ſind es alſo, auf deren Beyſpiel es vornaͤmlich ankomt. Wie gern uͤberlieſſen ſie den Geſelſchaften einen Theil ihrer Buͤrde. Aber dieſe wollen ja nun einmal nicht; am wenigſten wollen es die, welche man an Hoͤfen ſieht, und ſie manch- mal ſo ziemlich blindlings fuͤr die beſten haͤlt. Man kann ſich hier eine ſcheinbar ſchwere Frage einfallen laſſen. Die ſuͤdlichen Deutſchen ſezen gewoͤnlich da die langvergangne Zeit, wo die noͤrdlichen die juͤngſt-
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chiſch. Das Volk allein (der ganz geringe Mann
wird beynah niemals mit darunter begriffen) kann
nur in wenigen Faͤllen entſcheiden, z. E. wenn es
darauf ankomt die Beſchaͤftigungen, und die Werk-
zeuge des Handwerkers oder des Ackermanns zu be-
nennen. Damit wird gleichwol nicht gemeint, daß
man die Ausdruͤcke des Volkes in allen andern Punk-
ten der Aufmerkſamkeit voͤllig unwuͤrdig halten ſolle.
Jn einigen Gegenden ſagt es z. E. die Syndicuſſe.
Vielleicht endigen wir noch mit der Zeit kuͤrzere Na-
men, als die Brutuſſe, eben ſo; aber mit den laͤn-
gern, als die Pompiliuſſe wird es wol nicht ge-
ſchehn, weil ſie ſchleppend ſeyn wuͤrden. Die guten
Geſelſchaften ſolten natuͤrlicher Weiſe viel mehr
entſcheiden koͤnnen. Weil ſich aber bey uns faſt Nie-
mand etwas daraus macht, ſeine Sprache auch nur
richtig zu ſprechen; und weil man ſo gar in denen
Geſelſchaften, welche den Namen der guten vorzuͤg-
lich verdienen, oft aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſezt,
indem man deutſch ſpricht, und dieß wol ſo woͤrtlich
thut, daß man denen, die nur deutſch wiſſen, voͤllig
unverſtaͤndlich iſt; ſo wuͤrde es ſonderbar ſeyn, wenn
ſich die Geſelſchaften mehr als das Volk anmaaſſen
wolten. Sie, und das Volk ſagen z. E. lehre mir;
und gleichwol iſt lehre mich allein deutſch. Die
guten Scribenten ſind es alſo, auf deren Beyſpiel
es vornaͤmlich ankomt. Wie gern uͤberlieſſen ſie den
Geſelſchaften einen Theil ihrer Buͤrde. Aber dieſe
wollen ja nun einmal nicht; am wenigſten wollen
es die, welche man an Hoͤfen ſieht, und ſie manch-
mal ſo ziemlich blindlings fuͤr die beſten haͤlt. Man
kann ſich hier eine ſcheinbar ſchwere Frage einfallen
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die langvergangne Zeit, wo die noͤrdlichen die juͤngſt-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/303>, abgerufen am 25.11.2024.
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