so, und nicht anders lerne man auch die latei- nische, und die griechische. Die ersten und nächstfolgenden Scholiasten waren, und musten ganz andre Leute seyn, als die jezigen. Sie begaben sich auf ein neues grosses Feld voller Schwierigkeiten. Sie sahen scharf, einige nämlich, verglichen, entwickelten eben so, und konten nur erst spät ein reifes Urtheil fällen. Die jezigen Scholiasten, die jenen nun das hundertemal nachsprechen, sind weiter nichts, als lateinische oder griechische Sprachmeister. Wer verachtet sie deswegen, weil sie nur das sind? Aber sollen sie denn deswegen, weil sie nur das sind, auch fortfahren eine Zunft zu seyn? Und dennoch würde die unüberwindliche deutsche Geduld sie noch beybehalten; wenn sie den Fortgang der Wissenschaften, durch Verwandlung der Nebendinge in Hauptsachen, des Mittels in den Zwek, nicht hinderten; nicht, weil man Anmerkungen über die Alten gar füglich lateinisch schreibt, noch immer bey ihrem Wahne blieben, daß man überhaupt am besten thäte in dieser Sprache zu schreiben; und, welches vollends alles übertrift, was nur ungedacht und lächerlich ist, daß man in kei- ner neuern, sondern einzig und allein in der römischen Sprache, (thun sie's etwa? und kann man's jezo noch?) schön schreiben könte;
wenn
ſo, und nicht anders lerne man auch die latei- niſche, und die griechiſche. Die erſten und naͤchſtfolgenden Scholiaſten waren, und muſten ganz andre Leute ſeyn, als die jezigen. Sie begaben ſich auf ein neues groſſes Feld voller Schwierigkeiten. Sie ſahen ſcharf, einige naͤmlich, verglichen, entwickelten eben ſo, und konten nur erſt ſpaͤt ein reifes Urtheil faͤllen. Die jezigen Scholiaſten, die jenen nun das hundertemal nachſprechen, ſind weiter nichts, als lateiniſche oder griechiſche Sprachmeiſter. Wer verachtet ſie deswegen, weil ſie nur das ſind? Aber ſollen ſie denn deswegen, weil ſie nur das ſind, auch fortfahren eine Zunft zu ſeyn? Und dennoch wuͤrde die unuͤberwindliche deutſche Geduld ſie noch beybehalten; wenn ſie den Fortgang der Wiſſenſchaften, durch Verwandlung der Nebendinge in Hauptſachen, des Mittels in den Zwek, nicht hinderten; nicht, weil man Anmerkungen uͤber die Alten gar fuͤglich lateiniſch ſchreibt, noch immer bey ihrem Wahne blieben, daß man uͤberhaupt am beſten thaͤte in dieſer Sprache zu ſchreiben; und, welches vollends alles uͤbertrift, was nur ungedacht und laͤcherlich iſt, daß man in kei- ner neuern, ſondern einzig und allein in der roͤmiſchen Sprache, (thun ſie’s etwa? und kann man’s jezo noch?) ſchoͤn ſchreiben koͤnte;
wenn
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ſo, und nicht anders lerne man auch die latei-
niſche, und die griechiſche. Die erſten und
naͤchſtfolgenden Scholiaſten waren, und muſten
ganz andre Leute ſeyn, als die jezigen. Sie
begaben ſich auf ein neues groſſes Feld voller
Schwierigkeiten. Sie ſahen ſcharf, einige
naͤmlich, verglichen, entwickelten eben ſo, und
konten nur erſt ſpaͤt ein reifes Urtheil faͤllen.
Die jezigen Scholiaſten, die jenen nun das
hundertemal nachſprechen, ſind weiter nichts,
als lateiniſche oder griechiſche Sprachmeiſter.
Wer verachtet ſie deswegen, weil ſie nur das
ſind? Aber ſollen ſie denn deswegen, weil ſie
nur das ſind, auch fortfahren eine Zunft zu
ſeyn? Und dennoch wuͤrde die unuͤberwindliche
deutſche Geduld ſie noch beybehalten; wenn
ſie den Fortgang der Wiſſenſchaften, durch
Verwandlung der Nebendinge in Hauptſachen,
des Mittels in den Zwek, nicht hinderten;
nicht, weil man Anmerkungen uͤber die Alten
gar fuͤglich lateiniſch ſchreibt, noch immer bey
ihrem Wahne blieben, daß man uͤberhaupt
am beſten thaͤte in dieſer Sprache zu ſchreiben;
und, welches vollends alles uͤbertrift, was nur
ungedacht und laͤcherlich iſt, daß man in kei-
ner neuern, ſondern einzig und allein in der
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/296>, abgerufen am 25.11.2024.
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