Drittler wurde ein paarmal zurük gerufen, neue Verhaltungsbefehle zu empfangen. Denn diese Zunft schwankte ein wenig. Der An- wald der Geschichtschreiber führte das Wort. Jhr sehet, Aldermänner, daß dießmal alle Zünfte vor euch versammelt sind. Der Herold braucht die Stimmen nicht zu sammeln. Wir haben von unsern Zünften Befehl sie zu geben. Es sind drey Jahrhunderte, daß nicht etwa nur die Scholiasten unsrer Republik, sondern auch die Scholiasten aller Gelehrtenrepubliken des ganzen Europa die Alten erklärt haben. Also denken wir, daß sie endlich einmal erklärt sind. Zu der geringen Nachlese, die etwa noch zu halten seyn möchte, braucht es keine Zünf- ter. Denn die Stelle, welche ein Zünfter in der Republik einnimt, ist für den zu erhaben, der weiter keine Verdienste hat, als ein solcher Nachleser zu seyn. Gleichwol würden wir Deutschen, nach der uns eignen unaussprech- lich grossen Geduld, noch immer Nachsicht mit unsrer Scholiastenzunft gehabt haben, wenn sie nicht gröstentheils aus Leuten bestünde, die vor Dünkel und Vorurtheil nicht wissen, wo sie hinwollen. Sprachen muß man lernen; wer leugnet das? Aber wie man die englische, französische, oder italienische, entweder durch sich selbst, oder von einem Sprachmeister lernt,
so,
Drittler wurde ein paarmal zuruͤk gerufen, neue Verhaltungsbefehle zu empfangen. Denn dieſe Zunft ſchwankte ein wenig. Der An- wald der Geſchichtſchreiber fuͤhrte das Wort. Jhr ſehet, Aldermaͤnner, daß dießmal alle Zuͤnfte vor euch verſammelt ſind. Der Herold braucht die Stimmen nicht zu ſammeln. Wir haben von unſern Zuͤnften Befehl ſie zu geben. Es ſind drey Jahrhunderte, daß nicht etwa nur die Scholiaſten unſrer Republik, ſondern auch die Scholiaſten aller Gelehrtenrepubliken des ganzen Europa die Alten erklaͤrt haben. Alſo denken wir, daß ſie endlich einmal erklaͤrt ſind. Zu der geringen Nachleſe, die etwa noch zu halten ſeyn moͤchte, braucht es keine Zuͤnf- ter. Denn die Stelle, welche ein Zuͤnfter in der Republik einnimt, iſt fuͤr den zu erhaben, der weiter keine Verdienſte hat, als ein ſolcher Nachleſer zu ſeyn. Gleichwol wuͤrden wir Deutſchen, nach der uns eignen unausſprech- lich groſſen Geduld, noch immer Nachſicht mit unſrer Scholiaſtenzunft gehabt haben, wenn ſie nicht groͤſtentheils aus Leuten beſtuͤnde, die vor Duͤnkel und Vorurtheil nicht wiſſen, wo ſie hinwollen. Sprachen muß man lernen; wer leugnet das? Aber wie man die engliſche, franzoͤſiſche, oder italieniſche, entweder durch ſich ſelbſt, oder von einem Sprachmeiſter lernt,
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Drittler wurde ein paarmal zuruͤk gerufen,
neue Verhaltungsbefehle zu empfangen. Denn
dieſe Zunft ſchwankte ein wenig. Der An-
wald der Geſchichtſchreiber fuͤhrte das Wort.
Jhr ſehet, Aldermaͤnner, daß dießmal alle
Zuͤnfte vor euch verſammelt ſind. Der Herold
braucht die Stimmen nicht zu ſammeln. Wir
haben von unſern Zuͤnften Befehl ſie zu geben.
Es ſind drey Jahrhunderte, daß nicht etwa
nur die Scholiaſten unſrer Republik, ſondern
auch die Scholiaſten aller Gelehrtenrepubliken
des ganzen Europa die Alten erklaͤrt haben.
Alſo denken wir, daß ſie endlich einmal erklaͤrt
ſind. Zu der geringen Nachleſe, die etwa noch
zu halten ſeyn moͤchte, braucht es keine Zuͤnf-
ter. Denn die Stelle, welche ein Zuͤnfter in
der Republik einnimt, iſt fuͤr den zu erhaben,
der weiter keine Verdienſte hat, als ein ſolcher
Nachleſer zu ſeyn. Gleichwol wuͤrden wir
Deutſchen, nach der uns eignen unausſprech-
lich groſſen Geduld, noch immer Nachſicht mit
unſrer Scholiaſtenzunft gehabt haben, wenn
ſie nicht groͤſtentheils aus Leuten beſtuͤnde, die
vor Duͤnkel und Vorurtheil nicht wiſſen, wo
ſie hinwollen. Sprachen muß man lernen;
wer leugnet das? Aber wie man die engliſche,
franzoͤſiſche, oder italieniſche, entweder durch
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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