eine geheime Absicht der Sprache zu schaden. Da diese Meinung zu so vielem Alten, das ge- gen die Scholiasten zu erinnern war, hinzu- kam, so blieb es selbst ihnen nicht länger zwei- felhaft, daß die Aufhebung ihrer Zunft be- schlossen. Wäre. Sie thaten in dieser grossen Angst einen Schritt, den sie freylich, wie viel anderes, nicht genung überlegt hatten, und der sie hernach sehr reute. Sie schikten ihren Anwald ab, der sich mit der Bitte an die Re- publik wandte: Man möchte dem grossen Volke (so nanten sie den Pöbel, um ihn zu gewin- nen, und vielleicht auch, das Sonderbare ih- rer Entschliessung sich selbst zu verbergen) dem grossen Volke gestatten, morgen doch auch Einmal eine Stimme zu haben. Die Alder- männer antworteten dem Anwalde auf der Stelle: Das sollen sie schon heute; und aus allen Zünften und dem ganzen Volke rief man dem Herolde, der die Stimmen sammeln wol- te: Schon heute! zu.
Kaum war dieß vorbey; so begaben sich die Anwalde der Redner, der Dichter, und der Geschichtschreiber zu den Aldermännern. Die- ser ungewönliche Hergang der Sache, denn sonst hat immer nur Ein Anwald den Vortrag, veranlaste die übrigen Zünfte ihre Anwalde schnell nachzuschicken. Nur der Anwald der
Dritt-
eine geheime Abſicht der Sprache zu ſchaden. Da dieſe Meinung zu ſo vielem Alten, das ge- gen die Scholiaſten zu erinnern war, hinzu- kam, ſo blieb es ſelbſt ihnen nicht laͤnger zwei- felhaft, daß die Aufhebung ihrer Zunft be- ſchloſſen. Waͤre. Sie thaten in dieſer groſſen Angſt einen Schritt, den ſie freylich, wie viel anderes, nicht genung uͤberlegt hatten, und der ſie hernach ſehr reute. Sie ſchikten ihren Anwald ab, der ſich mit der Bitte an die Re- publik wandte: Man moͤchte dem groſſen Volke (ſo nanten ſie den Poͤbel, um ihn zu gewin- nen, und vielleicht auch, das Sonderbare ih- rer Entſchlieſſung ſich ſelbſt zu verbergen) dem groſſen Volke geſtatten, morgen doch auch Einmal eine Stimme zu haben. Die Alder- maͤnner antworteten dem Anwalde auf der Stelle: Das ſollen ſie ſchon heute; und aus allen Zuͤnften und dem ganzen Volke rief man dem Herolde, der die Stimmen ſammeln wol- te: Schon heute! zu.
Kaum war dieß vorbey; ſo begaben ſich die Anwalde der Redner, der Dichter, und der Geſchichtſchreiber zu den Aldermaͤnnern. Die- ſer ungewoͤnliche Hergang der Sache, denn ſonſt hat immer nur Ein Anwald den Vortrag, veranlaſte die uͤbrigen Zuͤnfte ihre Anwalde ſchnell nachzuſchicken. Nur der Anwald der
Dritt-
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eine geheime Abſicht der Sprache zu ſchaden.
Da dieſe Meinung zu ſo vielem Alten, das ge-
gen die Scholiaſten zu erinnern war, hinzu-
kam, ſo blieb es ſelbſt ihnen nicht laͤnger zwei-
felhaft, daß die Aufhebung ihrer Zunft be-
ſchloſſen. Waͤre. Sie thaten in dieſer groſſen
Angſt einen Schritt, den ſie freylich, wie viel
anderes, nicht genung uͤberlegt hatten, und
der ſie hernach ſehr reute. Sie ſchikten ihren
Anwald ab, der ſich mit der Bitte an die Re-
publik wandte: Man moͤchte dem groſſen Volke
(ſo nanten ſie den Poͤbel, um ihn zu gewin-
nen, und vielleicht auch, das Sonderbare ih-
rer Entſchlieſſung ſich ſelbſt zu verbergen) dem
groſſen Volke geſtatten, morgen doch auch
Einmal eine Stimme zu haben. Die Alder-
maͤnner antworteten dem Anwalde auf der
Stelle: Das ſollen ſie ſchon heute; und aus
allen Zuͤnften und dem ganzen Volke rief man
dem Herolde, der die Stimmen ſammeln wol-
te: Schon heute! zu.
Kaum war dieß vorbey; ſo begaben ſich die
Anwalde der Redner, der Dichter, und der
Geſchichtſchreiber zu den Aldermaͤnnern. Die-
ſer ungewoͤnliche Hergang der Sache, denn
ſonſt hat immer nur Ein Anwald den Vortrag,
veranlaſte die uͤbrigen Zuͤnfte ihre Anwalde
ſchnell nachzuſchicken. Nur der Anwald der
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/294>, abgerufen am 22.11.2024.
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