ist so wahr, daß die recht guten Leser es kaum dulden, wenn die Anmerkung auch nur durch eine gewisse Vorstellung der Sache in die Er- zählung eingewebt wird. Daß man ein für allemal nicht haben will, daß der Geschicht- schreiber Anmerkungen einmische, dieß komt daher. Man will sich in dem warmen Anthei- le, den man an den Begebenheiten nimt, durch nichts stören lassen, am wenigsten durch etwas so kaltes, als Anmerkungen selbst die besten zu seyn pflegen; aufs höchste will man die Unterbrechung nur sich selbst erlauben. Da also der Geschichtschreiber nun einmal ein Freudenstörer gewesen war, und man daher verdrieslich auf ihn ist, so mist man ihm nun auch den Stolz bey, als ob er geglaubt hätte, der Leser würde die Anmerkung nicht selbst ha- ben machen können. Kurz, es ist ein misli- ches Wagstük, wenn ein Geschichtschreiber Anmerkungen einstreut. Auch haben wir uns bisher sorgfältig davor gehütet, den angezeig- ten Fehler zu begehen. Aber völlig unverzeih- lich ist er denn doch auch nicht. Es wird also darauf ankommen, den Leser bey jedesmaliger Begehung zur Verzeihung geneigt zu machen.
Wir haben kein andres Mittel zu diesem Zwecke zu gelangen ausfinden können, als der Anmerkung allezeit eine gewisse Formel vorzu-
sezen,
N
iſt ſo wahr, daß die recht guten Leſer es kaum dulden, wenn die Anmerkung auch nur durch eine gewiſſe Vorſtellung der Sache in die Er- zaͤhlung eingewebt wird. Daß man ein fuͤr allemal nicht haben will, daß der Geſchicht- ſchreiber Anmerkungen einmiſche, dieß komt daher. Man will ſich in dem warmen Anthei- le, den man an den Begebenheiten nimt, durch nichts ſtoͤren laſſen, am wenigſten durch etwas ſo kaltes, als Anmerkungen ſelbſt die beſten zu ſeyn pflegen; aufs hoͤchſte will man die Unterbrechung nur ſich ſelbſt erlauben. Da alſo der Geſchichtſchreiber nun einmal ein Freudenſtoͤrer geweſen war, und man daher verdrieslich auf ihn iſt, ſo miſt man ihm nun auch den Stolz bey, als ob er geglaubt haͤtte, der Leſer wuͤrde die Anmerkung nicht ſelbſt ha- ben machen koͤnnen. Kurz, es iſt ein misli- ches Wagſtuͤk, wenn ein Geſchichtſchreiber Anmerkungen einſtreut. Auch haben wir uns bisher ſorgfaͤltig davor gehuͤtet, den angezeig- ten Fehler zu begehen. Aber voͤllig unverzeih- lich iſt er denn doch auch nicht. Es wird alſo darauf ankommen, den Leſer bey jedesmaliger Begehung zur Verzeihung geneigt zu machen.
Wir haben kein andres Mittel zu dieſem Zwecke zu gelangen ausfinden koͤnnen, als der Anmerkung allezeit eine gewiſſe Formel vorzu-
ſezen,
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iſt ſo wahr, daß die recht guten Leſer es kaum
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allemal nicht haben will, daß der Geſchicht-
ſchreiber Anmerkungen einmiſche, dieß komt
daher. Man will ſich in dem warmen Anthei-
le, den man an den Begebenheiten nimt,
durch nichts ſtoͤren laſſen, am wenigſten durch
etwas ſo kaltes, als Anmerkungen ſelbſt die
beſten zu ſeyn pflegen; aufs hoͤchſte will man
die Unterbrechung nur ſich ſelbſt erlauben. Da
alſo der Geſchichtſchreiber nun einmal ein
Freudenſtoͤrer geweſen war, und man daher
verdrieslich auf ihn iſt, ſo miſt man ihm nun
auch den Stolz bey, als ob er geglaubt haͤtte,
der Leſer wuͤrde die Anmerkung nicht ſelbſt ha-
ben machen koͤnnen. Kurz, es iſt ein misli-
ches Wagſtuͤk, wenn ein Geſchichtſchreiber
Anmerkungen einſtreut. Auch haben wir uns
bisher ſorgfaͤltig davor gehuͤtet, den angezeig-
ten Fehler zu begehen. Aber voͤllig unverzeih-
lich iſt er denn doch auch nicht. Es wird alſo
darauf ankommen, den Leſer bey jedesmaliger
Begehung zur Verzeihung geneigt zu machen.
Wir haben kein andres Mittel zu dieſem
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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