warme Untersuchungen ausarten; wenn die Ausartung nur nicht lange fortdauert, und jene Gährung so viel Reifes hervorbringt, daß der Auswuchs unmerklich wird. Doch die Zünfte haben keine Warnung, sondern viel- leicht nur einige Aufmunterung nötig. Denn ich seh euch, wie mir es vorkomt, alle ent- schlossen, und entschlosner als jemals, diesen Landtag, zu dessen Haltung wir endlich gekom- men sind, für die jezigen und die künftigen Zeiten merkwürdig zu machen. Dieses zu thun, kenne ich keinen andern Weg, als weise Ausübung unserer Geseze. Bey zu grosser Strenge, würde man euch satyrische Gesin- nungen Schuld geben können; und diesen pfle- gen sich nur einzelne Gelehrte bey ihren Strei- tigkeiten zu überlassen; aber die versammelte Republik, der es genung ist gerecht zu seyn, ist allezeit selbst über einen solchen Schein erha- ben gewesen: in Gegentheile würdet ihr, bey zu grosser Gelindigkeit, eine solche Kraftlosig- keit im Handeln zeigen, daß es besser wäre, den Landtag gar nicht zu halten. Dieser lezte Vorwurf, was wir Aldermänner auch haben hören müssen, ist es, von dem wir am meisten wünschen, daß er nicht gemacht werden könne; des ersten, weil er gewiß ungegründet seyn wird, achten wir wenig. Denn was etliche
in
M 4
warme Unterſuchungen ausarten; wenn die Ausartung nur nicht lange fortdauert, und jene Gaͤhrung ſo viel Reifes hervorbringt, daß der Auswuchs unmerklich wird. Doch die Zuͤnfte haben keine Warnung, ſondern viel- leicht nur einige Aufmunterung noͤtig. Denn ich ſeh euch, wie mir es vorkomt, alle ent- ſchloſſen, und entſchlosner als jemals, dieſen Landtag, zu deſſen Haltung wir endlich gekom- men ſind, fuͤr die jezigen und die kuͤnftigen Zeiten merkwuͤrdig zu machen. Dieſes zu thun, kenne ich keinen andern Weg, als weiſe Ausuͤbung unſerer Geſeze. Bey zu groſſer Strenge, wuͤrde man euch ſatyriſche Geſin- nungen Schuld geben koͤnnen; und dieſen pfle- gen ſich nur einzelne Gelehrte bey ihren Strei- tigkeiten zu uͤberlaſſen; aber die verſammelte Republik, der es genung iſt gerecht zu ſeyn, iſt allezeit ſelbſt uͤber einen ſolchen Schein erha- ben geweſen: in Gegentheile wuͤrdet ihr, bey zu groſſer Gelindigkeit, eine ſolche Kraftloſig- keit im Handeln zeigen, daß es beſſer waͤre, den Landtag gar nicht zu halten. Dieſer lezte Vorwurf, was wir Aldermaͤnner auch haben hoͤren muͤſſen, iſt es, von dem wir am meiſten wuͤnſchen, daß er nicht gemacht werden koͤnne; des erſten, weil er gewiß ungegruͤndet ſeyn wird, achten wir wenig. Denn was etliche
in
M 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0259"n="183"/>
warme Unterſuchungen ausarten; wenn die<lb/>
Ausartung nur nicht lange fortdauert, und<lb/>
jene Gaͤhrung ſo viel Reifes hervorbringt, daß<lb/>
der Auswuchs unmerklich wird. Doch die<lb/>
Zuͤnfte haben keine Warnung, ſondern viel-<lb/>
leicht nur einige Aufmunterung noͤtig. Denn<lb/>
ich ſeh euch, wie mir es vorkomt, alle ent-<lb/>ſchloſſen, und entſchlosner als jemals, dieſen<lb/>
Landtag, zu deſſen Haltung wir endlich gekom-<lb/>
men ſind, fuͤr die jezigen und die kuͤnftigen<lb/>
Zeiten merkwuͤrdig zu machen. Dieſes zu<lb/>
thun, kenne ich keinen andern Weg, als weiſe<lb/>
Ausuͤbung unſerer Geſeze. Bey zu groſſer<lb/>
Strenge, wuͤrde man euch ſatyriſche Geſin-<lb/>
nungen Schuld geben koͤnnen; und dieſen pfle-<lb/>
gen ſich nur einzelne Gelehrte bey ihren Strei-<lb/>
tigkeiten zu uͤberlaſſen; aber die verſammelte<lb/>
Republik, der es genung iſt <hirendition="#fr">gerecht zu ſeyn,</hi><lb/>
iſt allezeit ſelbſt uͤber einen ſolchen Schein erha-<lb/>
ben geweſen: in Gegentheile wuͤrdet ihr, bey<lb/>
zu groſſer Gelindigkeit, eine ſolche Kraftloſig-<lb/>
keit im Handeln zeigen, daß es beſſer waͤre,<lb/>
den Landtag gar nicht zu halten. Dieſer lezte<lb/>
Vorwurf, was wir Aldermaͤnner auch haben<lb/>
hoͤren muͤſſen, iſt es, von dem wir am meiſten<lb/>
wuͤnſchen, daß er nicht gemacht werden koͤnne;<lb/>
des erſten, weil er gewiß ungegruͤndet ſeyn<lb/>
wird, achten wir wenig. Denn was etliche<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">in</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[183/0259]
warme Unterſuchungen ausarten; wenn die
Ausartung nur nicht lange fortdauert, und
jene Gaͤhrung ſo viel Reifes hervorbringt, daß
der Auswuchs unmerklich wird. Doch die
Zuͤnfte haben keine Warnung, ſondern viel-
leicht nur einige Aufmunterung noͤtig. Denn
ich ſeh euch, wie mir es vorkomt, alle ent-
ſchloſſen, und entſchlosner als jemals, dieſen
Landtag, zu deſſen Haltung wir endlich gekom-
men ſind, fuͤr die jezigen und die kuͤnftigen
Zeiten merkwuͤrdig zu machen. Dieſes zu
thun, kenne ich keinen andern Weg, als weiſe
Ausuͤbung unſerer Geſeze. Bey zu groſſer
Strenge, wuͤrde man euch ſatyriſche Geſin-
nungen Schuld geben koͤnnen; und dieſen pfle-
gen ſich nur einzelne Gelehrte bey ihren Strei-
tigkeiten zu uͤberlaſſen; aber die verſammelte
Republik, der es genung iſt gerecht zu ſeyn,
iſt allezeit ſelbſt uͤber einen ſolchen Schein erha-
ben geweſen: in Gegentheile wuͤrdet ihr, bey
zu groſſer Gelindigkeit, eine ſolche Kraftloſig-
keit im Handeln zeigen, daß es beſſer waͤre,
den Landtag gar nicht zu halten. Dieſer lezte
Vorwurf, was wir Aldermaͤnner auch haben
hoͤren muͤſſen, iſt es, von dem wir am meiſten
wuͤnſchen, daß er nicht gemacht werden koͤnne;
des erſten, weil er gewiß ungegruͤndet ſeyn
wird, achten wir wenig. Denn was etliche
in
M 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/259>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.