Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwecke verstanden worden. Jn einem andern
Verstande (und in diesem nimt man hier doch
gewöhnlich das Wort einfach) sind die nicht
einfachen Erfindungen die schwereren. Die
Erfindung der Buchdruckerey war gewiß leich-
ter, als des Papiers oder des Glases.

Das Erfinden kann nicht gelehrt, aber wer
Fähigkeit dazu hat, kann auf den Weg, der
zum Erfinden führt, gebracht werden. Viel-
leicht sind folgende die rechten Wegweisungen:

Man muß die schon vorhandnen Wirkun-
gen, oder diejenigen, die man hervorbringen
will, in allen ihren Theilen und Theilchen,
bestimt denken.

Man muß auch hier ein Mann seyn, und
nicht erschrecken, wenn man in Anfange nur
kleine Schritte thut.

Man kann sich den Reiz der Schwierigkeit
so lebhaft vorstellen, daß man gern zu ihr zu-
rükkehrt.

Man muß den Zwek, den man hat, so lan-
ge, und von so vielen Seiten betrachten, bis
man ihn lieb gewint. Desto besser, wenn
man ihn gleich Anfangs lieb gewonnen hat.

Man muß mit scharfer Wage wägen, was
eigentlich Verdienst sey. Denn alsdann wird
man sich keine kleine Zwecke vorsezen, und also
nicht in die Gefahr gerathen mitten in der Un-

ter-

Zwecke verſtanden worden. Jn einem andern
Verſtande (und in dieſem nimt man hier doch
gewoͤhnlich das Wort einfach) ſind die nicht
einfachen Erfindungen die ſchwereren. Die
Erfindung der Buchdruckerey war gewiß leich-
ter, als des Papiers oder des Glaſes.

Das Erfinden kann nicht gelehrt, aber wer
Faͤhigkeit dazu hat, kann auf den Weg, der
zum Erfinden fuͤhrt, gebracht werden. Viel-
leicht ſind folgende die rechten Wegweiſungen:

Man muß die ſchon vorhandnen Wirkun-
gen, oder diejenigen, die man hervorbringen
will, in allen ihren Theilen und Theilchen,
beſtimt denken.

Man muß auch hier ein Mann ſeyn, und
nicht erſchrecken, wenn man in Anfange nur
kleine Schritte thut.

Man kann ſich den Reiz der Schwierigkeit
ſo lebhaft vorſtellen, daß man gern zu ihr zu-
ruͤkkehrt.

Man muß den Zwek, den man hat, ſo lan-
ge, und von ſo vielen Seiten betrachten, bis
man ihn lieb gewint. Deſto beſſer, wenn
man ihn gleich Anfangs lieb gewonnen hat.

Man muß mit ſcharfer Wage waͤgen, was
eigentlich Verdienſt ſey. Denn alsdann wird
man ſich keine kleine Zwecke vorſezen, und alſo
nicht in die Gefahr gerathen mitten in der Un-

ter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0231" n="155"/>
Zwecke ver&#x017F;tanden worden. Jn einem andern<lb/>
Ver&#x017F;tande (und in die&#x017F;em nimt man hier doch<lb/>
gewo&#x0364;hnlich das Wort <hi rendition="#fr">einfach</hi>) &#x017F;ind die nicht<lb/>
einfachen Erfindungen die &#x017F;chwereren. Die<lb/>
Erfindung der Buchdruckerey war gewiß leich-<lb/>
ter, als des Papiers oder des Gla&#x017F;es.</p><lb/>
            <p>Das Erfinden kann nicht gelehrt, aber wer<lb/>
Fa&#x0364;higkeit dazu hat, kann auf den Weg, der<lb/>
zum Erfinden fu&#x0364;hrt, gebracht werden. Viel-<lb/>
leicht &#x017F;ind folgende die rechten Wegwei&#x017F;ungen:</p><lb/>
            <p>Man muß die &#x017F;chon vorhandnen Wirkun-<lb/>
gen, oder diejenigen, die man hervorbringen<lb/>
will, in allen ihren Theilen und Theilchen,<lb/>
be&#x017F;timt denken.</p><lb/>
            <p>Man muß auch hier ein Mann &#x017F;eyn, und<lb/>
nicht er&#x017F;chrecken, wenn man in Anfange nur<lb/>
kleine Schritte thut.</p><lb/>
            <p>Man kann &#x017F;ich den Reiz der Schwierigkeit<lb/>
&#x017F;o lebhaft vor&#x017F;tellen, daß man gern zu ihr zu-<lb/>
ru&#x0364;kkehrt.</p><lb/>
            <p>Man muß den Zwek, den man hat, &#x017F;o lan-<lb/>
ge, und von &#x017F;o vielen Seiten betrachten, bis<lb/>
man ihn lieb gewint. De&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er, wenn<lb/>
man ihn gleich Anfangs lieb gewonnen hat.</p><lb/>
            <p>Man muß mit &#x017F;charfer Wage wa&#x0364;gen, was<lb/>
eigentlich Verdien&#x017F;t &#x017F;ey. Denn alsdann wird<lb/>
man &#x017F;ich keine kleine Zwecke vor&#x017F;ezen, und al&#x017F;o<lb/>
nicht in die Gefahr gerathen mitten in der Un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ter-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0231] Zwecke verſtanden worden. Jn einem andern Verſtande (und in dieſem nimt man hier doch gewoͤhnlich das Wort einfach) ſind die nicht einfachen Erfindungen die ſchwereren. Die Erfindung der Buchdruckerey war gewiß leich- ter, als des Papiers oder des Glaſes. Das Erfinden kann nicht gelehrt, aber wer Faͤhigkeit dazu hat, kann auf den Weg, der zum Erfinden fuͤhrt, gebracht werden. Viel- leicht ſind folgende die rechten Wegweiſungen: Man muß die ſchon vorhandnen Wirkun- gen, oder diejenigen, die man hervorbringen will, in allen ihren Theilen und Theilchen, beſtimt denken. Man muß auch hier ein Mann ſeyn, und nicht erſchrecken, wenn man in Anfange nur kleine Schritte thut. Man kann ſich den Reiz der Schwierigkeit ſo lebhaft vorſtellen, daß man gern zu ihr zu- ruͤkkehrt. Man muß den Zwek, den man hat, ſo lan- ge, und von ſo vielen Seiten betrachten, bis man ihn lieb gewint. Deſto beſſer, wenn man ihn gleich Anfangs lieb gewonnen hat. Man muß mit ſcharfer Wage waͤgen, was eigentlich Verdienſt ſey. Denn alsdann wird man ſich keine kleine Zwecke vorſezen, und alſo nicht in die Gefahr gerathen mitten in der Un- ter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/231
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/231>, abgerufen am 24.11.2024.