welches man anstatt Kritik der Abwechslung wegen zu gebrauchen pflegt, ist zum Exempel kein gutes Wort; wenn wir aber (lasset uns die niederdeutschen Wörter, der möglichen Aufname halben, gleich deutsch aussprechen) wenn wir Kriteley aufnähmen; so hätten wir für Kunstrichterey ein gutes Wort. Keiner hat jemals kritisieren für ein gutes Wort ge- halten. Es ist von ungefähr so eine Art Wort, wie hanthieren, hausieren; und nicht einmal so gut; denn es solte nach dem Fran- zösischen, wo es hergenommen ist, kritikieren heissen; aber es mag wol Anfangs dem Pöbel ein wenig durchs Maul gangen seyn, und all- da die Verwandlung in kritisieren erlitten haben. Wer weiß nicht, daß manchem an- dern französischen Worte gleiches Unheil wie- derfahren ist. Nehmen wir aber kriten auf; so können wir das verwahrloste kritisieren völlig entbehren. Kunstrichter will Man- chen auch noch nicht so recht ein; Kritiker eben so wenig. Dieser Leute Bedenklichkeiten fielen nicht allein so gleich weg; sondern die Sprache würde auch, und gewiß durch keinen unnüzen Schaz, bereichert, wenn wir ihr Kritler und Kritmann gäben. Denu das lezte drükt mehr aus, als das erste. Wenn man schlechtweg Kritler sagt; so hat die
Sache
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welches man anſtatt Kritik der Abwechslung wegen zu gebrauchen pflegt, iſt zum Exempel kein gutes Wort; wenn wir aber (laſſet uns die niederdeutſchen Woͤrter, der moͤglichen Aufname halben, gleich deutſch ausſprechen) wenn wir Kriteley aufnaͤhmen; ſo haͤtten wir fuͤr Kunſtrichterey ein gutes Wort. Keiner hat jemals kritiſieren fuͤr ein gutes Wort ge- halten. Es iſt von ungefaͤhr ſo eine Art Wort, wie hanthieren, hauſieren; und nicht einmal ſo gut; denn es ſolte nach dem Fran- zoͤſiſchen, wo es hergenommen iſt, kritikieren heiſſen; aber es mag wol Anfangs dem Poͤbel ein wenig durchs Maul gangen ſeyn, und all- da die Verwandlung in kritiſieren erlitten haben. Wer weiß nicht, daß manchem an- dern franzoͤſiſchen Worte gleiches Unheil wie- derfahren iſt. Nehmen wir aber kriten auf; ſo koͤnnen wir das verwahrloſte kritiſieren voͤllig entbehren. Kunſtrichter will Man- chen auch noch nicht ſo recht ein; Kritiker eben ſo wenig. Dieſer Leute Bedenklichkeiten fielen nicht allein ſo gleich weg; ſondern die Sprache wuͤrde auch, und gewiß durch keinen unnuͤzen Schaz, bereichert, wenn wir ihr Kritler und Kritmann gaͤben. Denu das lezte druͤkt mehr aus, als das erſte. Wenn man ſchlechtweg Kritler ſagt; ſo hat die
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welches man anſtatt Kritik der Abwechslung
wegen zu gebrauchen pflegt, iſt zum Exempel
kein gutes Wort; wenn wir aber (laſſet uns
die niederdeutſchen Woͤrter, der moͤglichen
Aufname halben, gleich deutſch ausſprechen)
wenn wir Kriteley aufnaͤhmen; ſo haͤtten wir
fuͤr Kunſtrichterey ein gutes Wort. Keiner
hat jemals kritiſieren fuͤr ein gutes Wort ge-
halten. Es iſt von ungefaͤhr ſo eine Art
Wort, wie hanthieren, hauſieren; und nicht
einmal ſo gut; denn es ſolte nach dem Fran-
zoͤſiſchen, wo es hergenommen iſt, kritikieren
heiſſen; aber es mag wol Anfangs dem Poͤbel
ein wenig durchs Maul gangen ſeyn, und all-
da die Verwandlung in kritiſieren erlitten
haben. Wer weiß nicht, daß manchem an-
dern franzoͤſiſchen Worte gleiches Unheil wie-
derfahren iſt. Nehmen wir aber kriten auf;
ſo koͤnnen wir das verwahrloſte kritiſieren
voͤllig entbehren. Kunſtrichter will Man-
chen auch noch nicht ſo recht ein; Kritiker
eben ſo wenig. Dieſer Leute Bedenklichkeiten
fielen nicht allein ſo gleich weg; ſondern die
Sprache wuͤrde auch, und gewiß durch keinen
unnuͤzen Schaz, bereichert, wenn wir ihr
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/223>, abgerufen am 24.11.2024.
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