sagt; denn wer hat wol mehr Ehrfurcht gegen die Geseze als ich habe?) ich schreite dann zu einer gewissen angenehmen Redseligkeit fort; hierauf fält denn wol ein Ausruf vor, in dem etwa ein Wort der Unwissenheit stehn mag; wer kann aber auch alles wissen, was andre Leute wissen? Nach diesem begebe ich mich mitten in das Verfeinerte hinein. Denn verfeinert, was soll's zu vieler Bescheiden- heit? bin ich in hohem Grade! Und endlich komt bey mir erst das, was die Rolle schief, ich aber kühne Wendung des kritischen Ge- nies nenne. Jst das nun die Runde, von der das Gesez redet? Mache ich nicht viel- mehr die meinige in der entgegengesetzten Ord- nung? Zu geschweigen, daß ich, auch in an- drer Betrachtung, mehrbemeldete Runde nicht mache. Jch habe es durch meine gemil- derten Ausdrücke zur Gnüge dargethan, wie unschuldig ich, auch von dieser Seite, bin! Kurz, denn was braucht es bey einer so kla- ren Sache viel Worte? ich wolte mir die Stimmenlosigkeit, mit der man mir drohet, gar sehr verbeten haben!
Man siehet, dieser Mann irte besonders auch darinn, daß er sich vorstelte, es müste in der Runde immer alles in einer gewissen
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ſagt; denn wer hat wol mehr Ehrfurcht gegen die Geſeze als ich habe?) ich ſchreite dann zu einer gewiſſen angenehmen Redſeligkeit fort; hierauf faͤlt denn wol ein Ausruf vor, in dem etwa ein Wort der Unwiſſenheit ſtehn mag; wer kann aber auch alles wiſſen, was andre Leute wiſſen? Nach dieſem begebe ich mich mitten in das Verfeinerte hinein. Denn verfeinert, was ſoll’s zu vieler Beſcheiden- heit? bin ich in hohem Grade! Und endlich komt bey mir erſt das, was die Rolle ſchief, ich aber kuͤhne Wendung des kritiſchen Ge- nies nenne. Jſt das nun die Runde, von der das Geſez redet? Mache ich nicht viel- mehr die meinige in der entgegengeſetzten Ord- nung? Zu geſchweigen, daß ich, auch in an- drer Betrachtung, mehrbemeldete Runde nicht mache. Jch habe es durch meine gemil- derten Ausdruͤcke zur Gnuͤge dargethan, wie unſchuldig ich, auch von dieſer Seite, bin! Kurz, denn was braucht es bey einer ſo kla- ren Sache viel Worte? ich wolte mir die Stimmenloſigkeit, mit der man mir drohet, gar ſehr verbeten haben!
Man ſiehet, dieſer Mann irte beſonders auch darinn, daß er ſich vorſtelte, es muͤſte in der Runde immer alles in einer gewiſſen
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ſagt; denn wer hat wol mehr Ehrfurcht gegen
die Geſeze als ich habe?) ich ſchreite dann zu
einer gewiſſen angenehmen Redſeligkeit fort;
hierauf faͤlt denn wol ein Ausruf vor, in dem
etwa ein Wort der Unwiſſenheit ſtehn mag;
wer kann aber auch alles wiſſen, was andre
Leute wiſſen? Nach dieſem begebe ich mich
mitten in das Verfeinerte hinein. Denn
verfeinert, was ſoll’s zu vieler Beſcheiden-
heit? bin ich in hohem Grade! Und endlich
komt bey mir erſt das, was die Rolle ſchief,
ich aber kuͤhne Wendung des kritiſchen Ge-
nies nenne. Jſt das nun die Runde, von
der das Geſez redet? Mache ich nicht viel-
mehr die meinige in der entgegengeſetzten Ord-
nung? Zu geſchweigen, daß ich, auch in an-
drer Betrachtung, mehrbemeldete Runde
nicht mache. Jch habe es durch meine gemil-
derten Ausdruͤcke zur Gnuͤge dargethan, wie
unſchuldig ich, auch von dieſer Seite, bin!
Kurz, denn was braucht es bey einer ſo kla-
ren Sache viel Worte? ich wolte mir die
Stimmenloſigkeit, mit der man mir drohet,
gar ſehr verbeten haben!
Man ſiehet, dieſer Mann irte beſonders
auch darinn, daß er ſich vorſtelte, es muͤſte
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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