Wir finden in den Jahrbüchern keine Spur, wie es zugegangen ist, daß die gemischte Zunft mit diesem doch wirklich allzugelinden Geseze hat durchdringen können. Man stelle sich vor, was alles bey einander seyn müsse, eh man straffällig wird; und man wird die übertriebne Gelindigkeit des Gesezes zu- gestehn.
Es ist von dem Landtage 1745. Den fol- genden Landtag suchte sich ein Angeklagter in völligem Ernste, und mit grosser Hartnäckig- keit auf diese Art zu retten: Nach dem Geseze, besteht die bekante Runde, die in demselben mit einem so widrigen Ausdrucke beschrieben wird, darinn, daß erst ein schiefer Ausruf geschehe, hernach ein spizfindiger, ferner ein gar unwissender, dann ein allzuplauderhafter, und hierauf endlich die Ursachen vom Zaune gebrochen werden. Nun berufe ich mich auf alle, die meine Blätter gelesen haben, und wer hat sie nicht gelesen? ob ich nicht gerade das Gegentheil von dem thue, was in dem Geseze steht. Fange ich etwa schief an? Beym Zaune fang ich an! Dann schreite ich (man erlaube mir die etwas härtlichen Aus- drücke des Gesezes ein wenig zu mildern; dieß wird demselben nicht zum Nachtheile ge-
sagt;
Wir finden in den Jahrbuͤchern keine Spur, wie es zugegangen iſt, daß die gemiſchte Zunft mit dieſem doch wirklich allzugelinden Geſeze hat durchdringen koͤnnen. Man ſtelle ſich vor, was alles bey einander ſeyn muͤſſe, eh man ſtraffaͤllig wird; und man wird die uͤbertriebne Gelindigkeit des Geſezes zu- geſtehn.
Es iſt von dem Landtage 1745. Den fol- genden Landtag ſuchte ſich ein Angeklagter in voͤlligem Ernſte, und mit groſſer Hartnaͤckig- keit auf dieſe Art zu retten: Nach dem Geſeze, beſteht die bekante Runde, die in demſelben mit einem ſo widrigen Ausdrucke beſchrieben wird, darinn, daß erſt ein ſchiefer Ausruf geſchehe, hernach ein ſpizfindiger, ferner ein gar unwiſſender, dann ein allzuplauderhafter, und hierauf endlich die Urſachen vom Zaune gebrochen werden. Nun berufe ich mich auf alle, die meine Blaͤtter geleſen haben, und wer hat ſie nicht geleſen? ob ich nicht gerade das Gegentheil von dem thue, was in dem Geſeze ſteht. Fange ich etwa ſchief an? Beym Zaune fang ich an! Dann ſchreite ich (man erlaube mir die etwas haͤrtlichen Aus- druͤcke des Geſezes ein wenig zu mildern; dieß wird demſelben nicht zum Nachtheile ge-
ſagt;
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Wir finden in den Jahrbuͤchern keine Spur,
wie es zugegangen iſt, daß die gemiſchte
Zunft mit dieſem doch wirklich allzugelinden
Geſeze hat durchdringen koͤnnen. Man ſtelle
ſich vor, was alles bey einander ſeyn muͤſſe,
eh man ſtraffaͤllig wird; und man wird die
uͤbertriebne Gelindigkeit des Geſezes zu-
geſtehn.
Es iſt von dem Landtage 1745. Den fol-
genden Landtag ſuchte ſich ein Angeklagter in
voͤlligem Ernſte, und mit groſſer Hartnaͤckig-
keit auf dieſe Art zu retten: Nach dem Geſeze,
beſteht die bekante Runde, die in demſelben
mit einem ſo widrigen Ausdrucke beſchrieben
wird, darinn, daß erſt ein ſchiefer Ausruf
geſchehe, hernach ein ſpizfindiger, ferner ein
gar unwiſſender, dann ein allzuplauderhafter,
und hierauf endlich die Urſachen vom Zaune
gebrochen werden. Nun berufe ich mich auf
alle, die meine Blaͤtter geleſen haben, und
wer hat ſie nicht geleſen? ob ich nicht gerade
das Gegentheil von dem thue, was in dem
Geſeze ſteht. Fange ich etwa ſchief an?
Beym Zaune fang ich an! Dann ſchreite ich
(man erlaube mir die etwas haͤrtlichen Aus-
druͤcke des Geſezes ein wenig zu mildern;
dieß wird demſelben nicht zum Nachtheile ge-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/152>, abgerufen am 22.11.2024.
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