Pöbel sogar der Republik vortragen. Knecht kann man da nach Herzens Lust seyn; und heist doch ein Freyer. Denn diese Ausländer be- haupten, daß sie keine Knechte unter sich ha- ben. Deutschen, denen es zuwider ist, daß wir hiervon nicht geschwiegen haben, müssen wir bezeugen, daß sie uns gleichgültig, und theils verächtlich sind.
Die französische Gelehrtenrepublik ist jezt so oligarchisch, daß sie sogar einen Hang hat, die Dictatur einzuführen. Auf dem Landta- ge, auf welchem wir waren, fehlte nicht viel daran, daß Voltaire wäre zum Dictator ge- macht worden. Glüklicher Weise gelang noch einem kleinen Häuflein Patrioten ihre Widersezung. Wenn denn ja Dictatur seyn solte, welch ein Dictator! Was würd er un- ter uns seyn! Solte unsre Republik (welches doch ganz und gar nicht zu befürchten ist) so unglüklich seyn, auf die Dictatur zu verfal- len; so würde die Sache doch gewaltig ins Stecken gerathen, wenn es nun auf die Wahl des Dictators ankäme. Leibnizen könten wir denn doch nicht wieder auferwecken. Aber gesezt er lebte noch, würde dieser so sehr ver- ehrungswürdige Mann, dessen Bescheiden- heit nur seiner Grösse glich, die Dictatur an- nehmen wollen?
Die
Poͤbel ſogar der Republik vortragen. Knecht kann man da nach Herzens Luſt ſeyn; und heiſt doch ein Freyer. Denn dieſe Auslaͤnder be- haupten, daß ſie keine Knechte unter ſich ha- ben. Deutſchen, denen es zuwider iſt, daß wir hiervon nicht geſchwiegen haben, muͤſſen wir bezeugen, daß ſie uns gleichguͤltig, und theils veraͤchtlich ſind.
Die franzoͤſiſche Gelehrtenrepublik iſt jezt ſo oligarchiſch, daß ſie ſogar einen Hang hat, die Dictatur einzufuͤhren. Auf dem Landta- ge, auf welchem wir waren, fehlte nicht viel daran, daß Voltaire waͤre zum Dictator ge- macht worden. Gluͤklicher Weiſe gelang noch einem kleinen Haͤuflein Patrioten ihre Widerſezung. Wenn denn ja Dictatur ſeyn ſolte, welch ein Dictator! Was wuͤrd er un- ter uns ſeyn! Solte unſre Republik (welches doch ganz und gar nicht zu befuͤrchten iſt) ſo ungluͤklich ſeyn, auf die Dictatur zu verfal- len; ſo wuͤrde die Sache doch gewaltig ins Stecken gerathen, wenn es nun auf die Wahl des Dictators ankaͤme. Leibnizen koͤnten wir denn doch nicht wieder auferwecken. Aber geſezt er lebte noch, wuͤrde dieſer ſo ſehr ver- ehrungswuͤrdige Mann, deſſen Beſcheiden- heit nur ſeiner Groͤſſe glich, die Dictatur an- nehmen wollen?
Die
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[29/0105]
Poͤbel ſogar der Republik vortragen. Knecht
kann man da nach Herzens Luſt ſeyn; und heiſt
doch ein Freyer. Denn dieſe Auslaͤnder be-
haupten, daß ſie keine Knechte unter ſich ha-
ben. Deutſchen, denen es zuwider iſt, daß
wir hiervon nicht geſchwiegen haben, muͤſſen
wir bezeugen, daß ſie uns gleichguͤltig, und
theils veraͤchtlich ſind.
Die franzoͤſiſche Gelehrtenrepublik iſt jezt
ſo oligarchiſch, daß ſie ſogar einen Hang hat,
die Dictatur einzufuͤhren. Auf dem Landta-
ge, auf welchem wir waren, fehlte nicht viel
daran, daß Voltaire waͤre zum Dictator ge-
macht worden. Gluͤklicher Weiſe gelang
noch einem kleinen Haͤuflein Patrioten ihre
Widerſezung. Wenn denn ja Dictatur ſeyn
ſolte, welch ein Dictator! Was wuͤrd er un-
ter uns ſeyn! Solte unſre Republik (welches
doch ganz und gar nicht zu befuͤrchten iſt) ſo
ungluͤklich ſeyn, auf die Dictatur zu verfal-
len; ſo wuͤrde die Sache doch gewaltig ins
Stecken gerathen, wenn es nun auf die Wahl
des Dictators ankaͤme. Leibnizen koͤnten wir
denn doch nicht wieder auferwecken. Aber
geſezt er lebte noch, wuͤrde dieſer ſo ſehr ver-
ehrungswuͤrdige Mann, deſſen Beſcheiden-
heit nur ſeiner Groͤſſe glich, die Dictatur an-
nehmen wollen?
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/105>, abgerufen am 22.11.2024.
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