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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
7.
Nun die Zeit befiehlt zu scheiden/
Und mein Stunden-Glas zerbricht.
Jch soll Tod und Messer leiden/
Es verdunckelt Aug' und Licht.
Dieses ist die letzte Stunde.
So vergeht der Jugend Pracht!
Wort und Sylb' erstirbt im Munde.
Welt und Printz zu guter Nacht!

Diesem allen hörte die großmüthige Princeßin
gantz behertzt/ und mit einem solchen Angesichte
zu/ in welchem man statt der Furcht eine ernsthaf-
te Freundligkeit und solche Anmuth erblickte/ wel-
che die Steine zu durchdringen schien. Der
sonst unbewegliche Printz konte sich der Thränen
nicht enthalten/ indem er kein Auge von der Prin-
ceßin wendete/ und sich über ihre Standhafftig-
keit höchlich verwunderte. Ja er wünschte/ daß
nur bald die Zeit verflossen/ und die Stunde des
Opffer-Wechsels vorhanden wäre. Nach geen-
digtem Singen wurden die Ketten von dem schö-
nen Opffer-Lämmgen abgenommen/ und unter
stetem Räuchern des Rolims vor den Abgott ge-
führet/ von welchem sie ihr Englisches Angesichte
ab-und dem Chaumigrem/ nebst allen Anwesen-
den zuwendete/ da sie zugleich mit ungemeiner
Hertzhaftigkeit und unerschrockener Stimme fol-
gende Rede vom Tode hielt:

Trauer-
Der Aſiatiſchen Baniſe.
7.
Nun die Zeit befiehlt zu ſcheiden/
Und mein Stunden-Glas zerbricht.
Jch ſoll Tod und Meſſer leiden/
Es verdunckelt Aug’ und Licht.
Dieſes iſt die letzte Stunde.
So vergeht der Jugend Pracht!
Wort und Sylb’ erſtirbt im Munde.
Welt und Printz zu guter Nacht!

Dieſem allen hoͤrte die großmuͤthige Princeßin
gantz behertzt/ und mit einem ſolchen Angeſichte
zu/ in welchem man ſtatt der Furcht eine ernſthaf-
te Freundligkeit und ſolche Anmuth erblickte/ wel-
che die Steine zu durchdringen ſchien. Der
ſonſt unbewegliche Printz konte ſich der Thraͤnen
nicht enthalten/ indem er kein Auge von der Prin-
ceßin wendete/ und ſich uͤber ihre Standhafftig-
keit hoͤchlich verwunderte. Ja er wuͤnſchte/ daß
nur bald die Zeit verfloſſen/ und die Stunde des
Opffer-Wechſels vorhanden waͤre. Nach geen-
digtem Singen wurden die Ketten von dem ſchoͤ-
nen Opffer-Laͤmmgen abgenommen/ und unter
ſtetem Raͤuchern des Rolims vor den Abgott ge-
fuͤhret/ von welchem ſie ihr Engliſches Angeſichte
ab-und dem Chaumigrem/ nebſt allen Anweſen-
den zuwendete/ da ſie zugleich mit ungemeiner
Hertzhaftigkeit und unerſchrockener Stimme fol-
gende Rede vom Tode hielt:

Trauer-
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[674/0694] Der Aſiatiſchen Baniſe. 7. Nun die Zeit befiehlt zu ſcheiden/ Und mein Stunden-Glas zerbricht. Jch ſoll Tod und Meſſer leiden/ Es verdunckelt Aug’ und Licht. Dieſes iſt die letzte Stunde. So vergeht der Jugend Pracht! Wort und Sylb’ erſtirbt im Munde. Welt und Printz zu guter Nacht! Dieſem allen hoͤrte die großmuͤthige Princeßin gantz behertzt/ und mit einem ſolchen Angeſichte zu/ in welchem man ſtatt der Furcht eine ernſthaf- te Freundligkeit und ſolche Anmuth erblickte/ wel- che die Steine zu durchdringen ſchien. Der ſonſt unbewegliche Printz konte ſich der Thraͤnen nicht enthalten/ indem er kein Auge von der Prin- ceßin wendete/ und ſich uͤber ihre Standhafftig- keit hoͤchlich verwunderte. Ja er wuͤnſchte/ daß nur bald die Zeit verfloſſen/ und die Stunde des Opffer-Wechſels vorhanden waͤre. Nach geen- digtem Singen wurden die Ketten von dem ſchoͤ- nen Opffer-Laͤmmgen abgenommen/ und unter ſtetem Raͤuchern des Rolims vor den Abgott ge- fuͤhret/ von welchem ſie ihr Engliſches Angeſichte ab-und dem Chaumigrem/ nebſt allen Anweſen- den zuwendete/ da ſie zugleich mit ungemeiner Hertzhaftigkeit und unerſchrockener Stimme fol- gende Rede vom Tode hielt: Trauer-

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/694>, abgerufen am 25.11.2024.