Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. erste Stunde seines Todes/ die letzte meines Le-bens seyn soll. Worauff sie sich vor reiner Gluth nicht enthalten kunte/ in Gegenwart aller Umste- henden/ ihm einen sanfften Kuß zu ertheilen: Wel- cher das kräfftigste Seelen-Labsal war/ wodurch sich der Geist dergestalt ermunterte/ daß er sich auffrichten/ und ein gedoppeltes Echo vorstellen wolte/ so aber die Aertzte widerriethen/ und ihn in Begleitung der Princeßin/ nach einem auff der Wahlstatt auffgerichtetem Gezelte führen liessen/ woselbst er sich so fort zur Ruhe begab. Die Princeßin aber ließ neben solches noch ein Gezelt vor sich und ihr Frauenzimmer auffschlagen/ weil sie Wohlständigkeit halber ihn diese Nacht ver- lassen muste. Das grosse Welt-Auge hatte kaum das bluti- Nach
Der Aſiatiſchen Baniſe. erſte Stunde ſeines Todes/ die letzte meines Le-bens ſeyn ſoll. Worauff ſie ſich vor reiner Gluth nicht enthalten kunte/ in Gegenwart aller Umſte- henden/ ihm einen ſanfften Kuß zu ertheilen: Wel- cher das kraͤfftigſte Seelen-Labſal war/ wodurch ſich der Geiſt dergeſtalt ermunterte/ daß er ſich auffrichten/ und ein gedoppeltes Echo vorſtellen wolte/ ſo aber die Aertzte widerriethen/ und ihn in Begleitung der Princeßin/ nach einem auff der Wahlſtatt auffgerichtetem Gezelte fuͤhren lieſſen/ woſelbſt er ſich ſo fort zur Ruhe begab. Die Princeßin aber ließ neben ſolches noch ein Gezelt vor ſich und ihr Frauenzimmer auffſchlagen/ weil ſie Wohlſtaͤndigkeit halber ihn dieſe Nacht ver- laſſen muſte. Das groſſe Welt-Auge hatte kaum das bluti- Nach
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Der Aſiatiſchen Baniſe.
erſte Stunde ſeines Todes/ die letzte meines Le-
bens ſeyn ſoll. Worauff ſie ſich vor reiner Gluth
nicht enthalten kunte/ in Gegenwart aller Umſte-
henden/ ihm einen ſanfften Kuß zu ertheilen: Wel-
cher das kraͤfftigſte Seelen-Labſal war/ wodurch
ſich der Geiſt dergeſtalt ermunterte/ daß er ſich
auffrichten/ und ein gedoppeltes Echo vorſtellen
wolte/ ſo aber die Aertzte widerriethen/ und ihn in
Begleitung der Princeßin/ nach einem auff der
Wahlſtatt auffgerichtetem Gezelte fuͤhren lieſſen/
woſelbſt er ſich ſo fort zur Ruhe begab. Die
Princeßin aber ließ neben ſolches noch ein Gezelt
vor ſich und ihr Frauenzimmer auffſchlagen/ weil
ſie Wohlſtaͤndigkeit halber ihn dieſe Nacht ver-
laſſen muſte.
Das groſſe Welt-Auge hatte kaum das bluti-
ge Feld beſtrahlet/ ſo war die muntere Higvana-
ma ſchon bemuͤhet/ ihres Printzen Ruhe zu erfor-
ſchen/ welcher denn durch Verſicherung erholter
Kraͤffte/ ihr ſorgendes Verlangen ſtillete. Weil
ſie nun auff den verfolgenden Mangoſtan warte-
ten/ ſo erlaubte ihnen die Zeit ſattſam/ eine verlieb-
te Erinnerung des vergangenen Leid- und Freu-
den-Wechſels/ gegen einander anzuſtellen/ und
ſich nach verzogenem Ungewitter an der Liebes-
Sonne/ wie keuſch-Entflammte pflegen/ wieder-
um zu waͤrmen und zu ergoͤtzen: Woran ſie aber
nach einigen Stunden/ durch den zuruͤck kommen-
den Mangoſtan verhindert worden/ da denn die
Haͤupter eine allgemeine Pluͤnderung erlaubten.
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