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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
ihm im Augenblick über die Gurgel fuhr/ und mit
einem Schnitte ihn vollend des Lebens beraubte/
worauff er ihm das Haupt herunter sebelte/ und
solches auff den Knien vor der Princeßin Füsse
legete.

Es war kaum verrichtet/ so war die Lufft von
einem allgemeinen Freuden-Geschrey des jauch-
zenden Volckes erfüllet/ zugleich aber stürmete
Printz Nherandi/ welcher dieses spät erfahren/
mit drey tausend Mann auff den Platz/ um sei-
ne geliebte Schwester zu retten: hätte aber der
tapffere Abaxar nicht ihren Tod auff diese Art
hintertreiben/ so würde der Printz allzuspät ange-
langet seyn: welcher mit gleichen Schritten auff
die Princeßin zueilete/ ihr die Ketten abnehmen/
und sie unter der Verwahrung der treuen Völ-
ckerließ. Nach diesem vergaß er ziemlich seiner
kindlichen Ehrerbietung/ indem er sich nach dem
Könige und seiner Gemahlin mit diesen Worten
umwendete: Unartiger Vater! verdammete
Stieff-Mutter! Jst dieses in gantz Asien erhöret
worden/ daß man aus vergälltem Angeben eines
unverschämten Weibes/ sein eigen Fleisch und
Blut/ ich will nicht sagen Königliche Princeßin/
dem Hencker überantwortet/ und sich nicht an-
ders geberdet/ als ob man in gröster Sicherheit
lebte/ da man nur in eignen Adern nach Belieben
wüten möchte. Pfuy der Schande! welches auch
von den Menschen-Fressern nicht wird gebilliget
werden/ als welche die feindlichen Cörper fressen/

Anderes Buch.
ihm im Augenblick uͤber die Gurgel fuhr/ und mit
einem Schnitte ihn vollend des Lebens beraubte/
worauff er ihm das Haupt herunter ſebelte/ und
ſolches auff den Knien vor der Princeßin Fuͤſſe
legete.

Es war kaum verrichtet/ ſo war die Lufft von
einem allgemeinen Freuden-Geſchrey des jauch-
zenden Volckes erfuͤllet/ zugleich aber ſtuͤrmete
Printz Nherandi/ welcher dieſes ſpaͤt erfahren/
mit drey tauſend Mann auff den Platz/ um ſei-
ne geliebte Schweſter zu retten: haͤtte aber der
tapffere Abaxar nicht ihren Tod auff dieſe Art
hintertreiben/ ſo wuͤrde der Printz allzuſpaͤt ange-
langet ſeyn: welcher mit gleichen Schritten auff
die Princeßin zueilete/ ihr die Ketten abnehmen/
und ſie unter der Verwahrung der treuen Voͤl-
ckerließ. Nach dieſem vergaß er ziemlich ſeiner
kindlichen Ehrerbietung/ indem er ſich nach dem
Koͤnige und ſeiner Gemahlin mit dieſen Worten
umwendete: Unartiger Vater! verdammete
Stieff-Mutter! Jſt dieſes in gantz Aſien erhoͤret
worden/ daß man aus vergaͤlltem Angeben eines
unverſchaͤmten Weibes/ ſein eigen Fleiſch und
Blut/ ich will nicht ſagen Koͤnigliche Princeßin/
dem Hencker uͤberantwortet/ und ſich nicht an-
ders geberdet/ als ob man in groͤſter Sicherheit
lebte/ da man nur in eignen Adern nach Belieben
wuͤten moͤchte. Pfuy der Schande! welches auch
von den Menſchen-Freſſern nicht wird gebilliget
werden/ als welche die feindlichen Coͤrper freſſen/

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[555/0575] Anderes Buch. ihm im Augenblick uͤber die Gurgel fuhr/ und mit einem Schnitte ihn vollend des Lebens beraubte/ worauff er ihm das Haupt herunter ſebelte/ und ſolches auff den Knien vor der Princeßin Fuͤſſe legete. Es war kaum verrichtet/ ſo war die Lufft von einem allgemeinen Freuden-Geſchrey des jauch- zenden Volckes erfuͤllet/ zugleich aber ſtuͤrmete Printz Nherandi/ welcher dieſes ſpaͤt erfahren/ mit drey tauſend Mann auff den Platz/ um ſei- ne geliebte Schweſter zu retten: haͤtte aber der tapffere Abaxar nicht ihren Tod auff dieſe Art hintertreiben/ ſo wuͤrde der Printz allzuſpaͤt ange- langet ſeyn: welcher mit gleichen Schritten auff die Princeßin zueilete/ ihr die Ketten abnehmen/ und ſie unter der Verwahrung der treuen Voͤl- ckerließ. Nach dieſem vergaß er ziemlich ſeiner kindlichen Ehrerbietung/ indem er ſich nach dem Koͤnige und ſeiner Gemahlin mit dieſen Worten umwendete: Unartiger Vater! verdammete Stieff-Mutter! Jſt dieſes in gantz Aſien erhoͤret worden/ daß man aus vergaͤlltem Angeben eines unverſchaͤmten Weibes/ ſein eigen Fleiſch und Blut/ ich will nicht ſagen Koͤnigliche Princeßin/ dem Hencker uͤberantwortet/ und ſich nicht an- ders geberdet/ als ob man in groͤſter Sicherheit lebte/ da man nur in eignen Adern nach Belieben wuͤten moͤchte. Pfuy der Schande! welches auch von den Menſchen-Freſſern nicht wird gebilliget werden/ als welche die feindlichen Coͤrper freſſen/

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/575>, abgerufen am 25.11.2024.