Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Asiatischen Banise.
Güte bekennen/ und hernach die Beschleunigung
des Rechtens gewärtig seyn solte.

Die trostlose Fylane vermochte vor häuffigen
Thränen kein Wort vorzubringen/ und schmertz-
te sie nicht so sehr das Feuer/ als die grausame
Schmach/ welche ihr aus verbittertem Hasse ei-
ner vergälleten Stieff-Mutter/ und gehäßigen
Liebhabers/ unschuldigst zugefüget worden. Ge-
rechten Götter! hub sie endlich mit wehmüthig-
ster Stimme/ und gen Himmel gerichteten nassen
Augen an/ die ihr Hertzen und Gemüther zu er-
forschen pfleget; zehlet diese meine Thränen/ und
lasset euch meine Seuffzer/ welche ihren Ursprung
aus meiner Seele nehmen/ befohlen seyn. Schau-
et/ wie diese Burg ein Schauplatz geworden ist/
wo man nichts als Unschuld verbrennen siehet.
Gerechter Himmel! höre meine Wehmuth/ weil
mir das stumme Leid Rede und Zunge bindet.
Die brennende Glut hat den Leib noch lange nicht
so schmertzlich/ als die schwartze Flamme der Ver-
leumdung/ mein Hertze berühret/ denn wo dieses
Feuer in den Palästen brennet/ da muß auch das
güldene Bild der Unschuld schmeltzen. Ob ich
nun zwar von dem heiligen Angesichte der Götter/
und eurer Gegenwart/ O ihr Richter/ mich auch
der geringsten Missethat nicht schuldig geben kan/
auch ausser einer erbosten Stieffmutter/ und ei-
nem verbitterten Liebhaber/ niemand wider mir
doch nunmehro das Leben ein Ekel und Verdruß
seyn: Dannenhero ich mich viel lieber zu dieser

un-

Der Aſiatiſchen Baniſe.
Guͤte bekennen/ und hernach die Beſchleunigung
des Rechtens gewaͤrtig ſeyn ſolte.

Die troſtloſe Fylane vermochte vor haͤuffigen
Thraͤnen kein Wort vorzubringen/ und ſchmertz-
te ſie nicht ſo ſehr das Feuer/ als die grauſame
Schmach/ welche ihr aus verbittertem Haſſe ei-
ner vergaͤlleten Stieff-Mutter/ und gehaͤßigen
Liebhabers/ unſchuldigſt zugefuͤget worden. Ge-
rechten Goͤtter! hub ſie endlich mit wehmuͤthig-
ſter Stimme/ und gen Himmel gerichteten naſſen
Augen an/ die ihr Hertzen und Gemuͤther zu er-
forſchen pfleget; zehlet dieſe meine Thraͤnen/ und
laſſet euch meine Seuffzer/ welche ihren Urſprung
aus meiner Seele nehmen/ befohlen ſeyn. Schau-
et/ wie dieſe Burg ein Schauplatz geworden iſt/
wo man nichts als Unſchuld verbrennen ſiehet.
Gerechter Himmel! hoͤre meine Wehmuth/ weil
mir das ſtumme Leid Rede und Zunge bindet.
Die brennende Glut hat den Leib noch lange nicht
ſo ſchmertzlich/ als die ſchwartze Flamme der Ver-
leumdung/ mein Hertze beruͤhret/ denn wo dieſes
Feuer in den Palaͤſten brennet/ da muß auch das
guͤldene Bild der Unſchuld ſchmeltzen. Ob ich
nun zwar von dem heiligen Angeſichte der Goͤtter/
und eurer Gegenwart/ O ihr Richter/ mich auch
der geringſten Miſſethat nicht ſchuldig geben kan/
auch auſſer einer erboſten Stieffmutter/ und ei-
nem verbitterten Liebhaber/ niemand wider mir
doch nunmehro das Leben ein Ekel und Verdruß
ſeyn: Dannenhero ich mich viel lieber zu dieſer

un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0568" n="548"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der A&#x017F;iati&#x017F;chen Bani&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Gu&#x0364;te bekennen/ und hernach die Be&#x017F;chleunigung<lb/>
des Rechtens gewa&#x0364;rtig &#x017F;eyn &#x017F;olte.</p><lb/>
          <p>Die tro&#x017F;tlo&#x017F;e Fylane vermochte vor ha&#x0364;uffigen<lb/>
Thra&#x0364;nen kein Wort vorzubringen/ und &#x017F;chmertz-<lb/>
te &#x017F;ie nicht &#x017F;o &#x017F;ehr das Feuer/ als die grau&#x017F;ame<lb/>
Schmach/ welche ihr aus verbittertem Ha&#x017F;&#x017F;e ei-<lb/>
ner verga&#x0364;lleten Stieff-Mutter/ und geha&#x0364;ßigen<lb/>
Liebhabers/ un&#x017F;chuldig&#x017F;t zugefu&#x0364;get worden. Ge-<lb/>
rechten Go&#x0364;tter! hub &#x017F;ie endlich mit wehmu&#x0364;thig-<lb/>
&#x017F;ter Stimme/ und gen Himmel gerichteten na&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Augen an/ die ihr Hertzen und Gemu&#x0364;ther zu er-<lb/>
for&#x017F;chen pfleget; zehlet die&#x017F;e meine Thra&#x0364;nen/ und<lb/>
la&#x017F;&#x017F;et euch meine Seuffzer/ welche ihren Ur&#x017F;prung<lb/>
aus meiner Seele nehmen/ befohlen &#x017F;eyn. Schau-<lb/>
et/ wie die&#x017F;e Burg ein Schauplatz geworden i&#x017F;t/<lb/>
wo man nichts als Un&#x017F;chuld verbrennen &#x017F;iehet.<lb/>
Gerechter Himmel! ho&#x0364;re meine Wehmuth/ weil<lb/>
mir das &#x017F;tumme Leid Rede und Zunge bindet.<lb/>
Die brennende Glut hat den Leib noch lange nicht<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chmertzlich/ als die &#x017F;chwartze Flamme der Ver-<lb/>
leumdung/ mein Hertze beru&#x0364;hret/ denn wo die&#x017F;es<lb/>
Feuer in den Pala&#x0364;&#x017F;ten brennet/ da muß auch das<lb/>
gu&#x0364;ldene Bild der Un&#x017F;chuld &#x017F;chmeltzen. Ob ich<lb/>
nun zwar von dem heiligen Ange&#x017F;ichte der Go&#x0364;tter/<lb/>
und eurer Gegenwart/ O ihr Richter/ mich auch<lb/>
der gering&#x017F;ten Mi&#x017F;&#x017F;ethat nicht &#x017F;chuldig geben kan/<lb/>
auch au&#x017F;&#x017F;er einer erbo&#x017F;ten Stieffmutter/ und ei-<lb/>
nem verbitterten Liebhaber/ niemand wider mir<lb/>
doch nunmehro das Leben ein Ekel und Verdruß<lb/>
&#x017F;eyn: Dannenhero ich mich viel lieber zu die&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">un-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[548/0568] Der Aſiatiſchen Baniſe. Guͤte bekennen/ und hernach die Beſchleunigung des Rechtens gewaͤrtig ſeyn ſolte. Die troſtloſe Fylane vermochte vor haͤuffigen Thraͤnen kein Wort vorzubringen/ und ſchmertz- te ſie nicht ſo ſehr das Feuer/ als die grauſame Schmach/ welche ihr aus verbittertem Haſſe ei- ner vergaͤlleten Stieff-Mutter/ und gehaͤßigen Liebhabers/ unſchuldigſt zugefuͤget worden. Ge- rechten Goͤtter! hub ſie endlich mit wehmuͤthig- ſter Stimme/ und gen Himmel gerichteten naſſen Augen an/ die ihr Hertzen und Gemuͤther zu er- forſchen pfleget; zehlet dieſe meine Thraͤnen/ und laſſet euch meine Seuffzer/ welche ihren Urſprung aus meiner Seele nehmen/ befohlen ſeyn. Schau- et/ wie dieſe Burg ein Schauplatz geworden iſt/ wo man nichts als Unſchuld verbrennen ſiehet. Gerechter Himmel! hoͤre meine Wehmuth/ weil mir das ſtumme Leid Rede und Zunge bindet. Die brennende Glut hat den Leib noch lange nicht ſo ſchmertzlich/ als die ſchwartze Flamme der Ver- leumdung/ mein Hertze beruͤhret/ denn wo dieſes Feuer in den Palaͤſten brennet/ da muß auch das guͤldene Bild der Unſchuld ſchmeltzen. Ob ich nun zwar von dem heiligen Angeſichte der Goͤtter/ und eurer Gegenwart/ O ihr Richter/ mich auch der geringſten Miſſethat nicht ſchuldig geben kan/ auch auſſer einer erboſten Stieffmutter/ und ei- nem verbitterten Liebhaber/ niemand wider mir doch nunmehro das Leben ein Ekel und Verdruß ſeyn: Dannenhero ich mich viel lieber zu dieſer un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/568
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/568>, abgerufen am 25.11.2024.