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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
rynen vom Wagen abgehoben/ und mit tieffster
Ehrerbietigkeit auff den Altar gesetzet. Die Lei-
che aber wurde mit viel Sandel- und Agor-Holtze
umlegt/ und zugleich vielerley Räuchwerck/ an
Specereyen/ wohlriechenden Kräutern und Bal-
sam geworffen. Worauff sich die Königlichen
Kinder nebst den Mandarynen wendeten/ und
wieder nach dem Königlichen Schlosse begaben.
Die Frauen aber blieben bey der Leiche/ weil solche
noch zwey Tage ohne Flammen stehen solte. Die-
se sassen Tag und Nacht um den Altar herum/
mit so lautem Klag-Geschrey und Weinen/ daß
sich zu verwundern war/ wie sich ein Frauenzim-
mer wider ihren Willen/ angesehen es den wenig-
sten ums Hertze war/ zu solcher Wehmuth zwin-
gen/ und so kläglich geberden kunte. Wiewohl sie
auch hierzu sich nicht wenig genöthiget befanden:
Denn es waren gewisse Weiber bestellet/ welche
die jenigen/ welche nicht gnugsam weineten/ mit
Stricken dermassen zuschlugen/ daß sie öffters
vor Schmertzen wahrhafftig schreyen und weinen
musten. Neben erwehnten kostbaren Thürmen
war eine treffliche Schaubühne etwas davon auf-
gerichtet/ mit sehr dicken und vergüldten Papier
bedecket/ auff welcher die grössesten Pfaffen des
Reichs/ und vund umher auff Tonnelen noch an-
dere/ in unglaublicher Menge sassen/ die insge-
samt ihr Gebet vor die Verstorbene verrichteten.
Aus andern zwantzig Thürmen aber/ welche von
Bambus sehr zierlich erhöhet/ mit starcken ver-

gül-

Anderes Buch.
rynen vom Wagen abgehoben/ und mit tieffſter
Ehrerbietigkeit auff den Altar geſetzet. Die Lei-
che aber wurde mit viel Sandel- und Agor-Holtze
umlegt/ und zugleich vielerley Raͤuchwerck/ an
Specereyen/ wohlriechenden Kraͤutern und Bal-
ſam geworffen. Worauff ſich die Koͤniglichen
Kinder nebſt den Mandarynen wendeten/ und
wieder nach dem Koͤniglichen Schloſſe begaben.
Die Frauen aber blieben bey der Leiche/ weil ſolche
noch zwey Tage ohne Flammen ſtehen ſolte. Die-
ſe ſaſſen Tag und Nacht um den Altar herum/
mit ſo lautem Klag-Geſchrey und Weinen/ daß
ſich zu verwundern war/ wie ſich ein Frauenzim-
mer wider ihren Willen/ angeſehen es den wenig-
ſten ums Hertze war/ zu ſolcher Wehmuth zwin-
gen/ und ſo klaͤglich geberden kunte. Wiewohl ſie
auch hierzu ſich nicht wenig genoͤthiget befanden:
Denn es waren gewiſſe Weiber beſtellet/ welche
die jenigen/ welche nicht gnugſam weineten/ mit
Stricken dermaſſen zuſchlugen/ daß ſie oͤffters
vor Schmertzen wahrhafftig ſchreyen und weinen
muſten. Neben erwehnten koſtbaren Thuͤrmen
war eine treffliche Schaubuͤhne etwas davon auf-
gerichtet/ mit ſehr dicken und verguͤldten Papier
bedecket/ auff welcher die groͤſſeſten Pfaffen des
Reichs/ und vund umher auff Tonnelen noch an-
dere/ in unglaublicher Menge ſaſſen/ die insge-
ſamt ihr Gebet vor die Verſtorbene verrichteten.
Aus andern zwantzig Thuͤrmen aber/ welche von
Bambus ſehr zierlich erhoͤhet/ mit ſtarcken ver-

guͤl-
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[539/0559] Anderes Buch. rynen vom Wagen abgehoben/ und mit tieffſter Ehrerbietigkeit auff den Altar geſetzet. Die Lei- che aber wurde mit viel Sandel- und Agor-Holtze umlegt/ und zugleich vielerley Raͤuchwerck/ an Specereyen/ wohlriechenden Kraͤutern und Bal- ſam geworffen. Worauff ſich die Koͤniglichen Kinder nebſt den Mandarynen wendeten/ und wieder nach dem Koͤniglichen Schloſſe begaben. Die Frauen aber blieben bey der Leiche/ weil ſolche noch zwey Tage ohne Flammen ſtehen ſolte. Die- ſe ſaſſen Tag und Nacht um den Altar herum/ mit ſo lautem Klag-Geſchrey und Weinen/ daß ſich zu verwundern war/ wie ſich ein Frauenzim- mer wider ihren Willen/ angeſehen es den wenig- ſten ums Hertze war/ zu ſolcher Wehmuth zwin- gen/ und ſo klaͤglich geberden kunte. Wiewohl ſie auch hierzu ſich nicht wenig genoͤthiget befanden: Denn es waren gewiſſe Weiber beſtellet/ welche die jenigen/ welche nicht gnugſam weineten/ mit Stricken dermaſſen zuſchlugen/ daß ſie oͤffters vor Schmertzen wahrhafftig ſchreyen und weinen muſten. Neben erwehnten koſtbaren Thuͤrmen war eine treffliche Schaubuͤhne etwas davon auf- gerichtet/ mit ſehr dicken und verguͤldten Papier bedecket/ auff welcher die groͤſſeſten Pfaffen des Reichs/ und vund umher auff Tonnelen noch an- dere/ in unglaublicher Menge ſaſſen/ die insge- ſamt ihr Gebet vor die Verſtorbene verrichteten. Aus andern zwantzig Thuͤrmen aber/ welche von Bambus ſehr zierlich erhoͤhet/ mit ſtarcken ver- guͤl-

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/559>, abgerufen am 22.11.2024.