Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. die Natur mit einiger Vernunfft begabet hatte/der kunte aus den stärckern Gliedmassen leicht ab- nehmen/ daß ein Sclavischer Cörper in der Prin- ceßin Kleidung stecken müste. Solches Vor- geben wurde nun von einigen Unverständigen vor bekandt angenommen: Hierdurch aber sind wir in einen kummerhafften Zweiffel versetzet/ daß wir nicht wissen/ wo unsere Princeßin geblieben sey/ und ob man sie unter den Todten oder Leben- digen suchen solle? Die starcke Muthmassung aber ihres Lebens dienet uns zum Troste/ und eine tapffere Hoffnung versichert uns gewisser Erlan- gung des verlohrnen Kleinods. Ach/ treuesten Freunde/ sagte hierauff der Printz/ diesen Scha- den kan fast kein Pflaster/ weder der Gedult noch Hofnung heilen. Denn in der Liebe muß man stets das schlimmeste hoffen/ und alsdenn den Göt- tern dancken/ wann das beste erfolget. Und wenn alle Welt verzagte/ hub endlich Talemon an/ so muß doch ein Printz nicht kleinmüthig werden/ sondern er soll auch so gar alles Unglück eher über- winden als fliehen. Es behalte derowegen mein Printz auch in diesem Fall ein beständiges tapffe- res Gemüthe/ und lasse sich von den Drohungen künfftigen Unfalls nicht abschrecken: Denn un- terweilen heben uns die Wellen aus einem sin- ckenden Schiffe/ und werffen uns in ein anders/ welches glücklich in Hafen lendet. Ja einem sol- chen Hertzen ist der Himmel günstig/ und lässet nicht geschehen/ daß es in seiner Hoffnung zu schan-
Der Aſiatiſchen Baniſe. die Natur mit einiger Vernunfft begabet hatte/der kunte aus den ſtaͤrckern Gliedmaſſen leicht ab- nehmen/ daß ein Sclaviſcher Coͤrper in der Prin- ceßin Kleidung ſtecken muͤſte. Solches Vor- geben wurde nun von einigen Unverſtaͤndigen vor bekandt angenommen: Hierdurch aber ſind wir in einen kummerhafften Zweiffel verſetzet/ daß wir nicht wiſſen/ wo unſere Princeßin geblieben ſey/ und ob man ſie unter den Todten oder Leben- digen ſuchen ſolle? Die ſtarcke Muthmaſſung aber ihres Lebens dienet uns zum Troſte/ und eine tapffere Hoffnung verſichert uns gewiſſer Erlan- gung des verlohrnen Kleinods. Ach/ treueſten Freunde/ ſagte hierauff der Printz/ dieſen Scha- den kan faſt kein Pflaſter/ weder der Gedult noch Hofnung heilen. Denn in der Liebe muß man ſtets das ſchlimmeſte hoffen/ und alsdenn den Goͤt- tern dancken/ wann das beſte erfolget. Und wenn alle Welt verzagte/ hub endlich Talemon an/ ſo muß doch ein Printz nicht kleinmuͤthig werden/ ſondern er ſoll auch ſo gar alles Ungluͤck eher uͤber- winden als fliehen. Es behalte derowegen mein Printz auch in dieſem Fall ein beſtaͤndiges tapffe- res Gemuͤthe/ und laſſe ſich von den Drohungen kuͤnfftigen Unfalls nicht abſchrecken: Denn un- terweilen heben uns die Wellen aus einem ſin- ckenden Schiffe/ und werffen uns in ein anders/ welches gluͤcklich in Hafen lendet. Ja einem ſol- chen Hertzen iſt der Himmel guͤnſtig/ und laͤſſet nicht geſchehen/ daß es in ſeiner Hoffnung zu ſchan-
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Der Aſiatiſchen Baniſe.
die Natur mit einiger Vernunfft begabet hatte/
der kunte aus den ſtaͤrckern Gliedmaſſen leicht ab-
nehmen/ daß ein Sclaviſcher Coͤrper in der Prin-
ceßin Kleidung ſtecken muͤſte. Solches Vor-
geben wurde nun von einigen Unverſtaͤndigen vor
bekandt angenommen: Hierdurch aber ſind wir
in einen kummerhafften Zweiffel verſetzet/ daß
wir nicht wiſſen/ wo unſere Princeßin geblieben
ſey/ und ob man ſie unter den Todten oder Leben-
digen ſuchen ſolle? Die ſtarcke Muthmaſſung
aber ihres Lebens dienet uns zum Troſte/ und eine
tapffere Hoffnung verſichert uns gewiſſer Erlan-
gung des verlohrnen Kleinods. Ach/ treueſten
Freunde/ ſagte hierauff der Printz/ dieſen Scha-
den kan faſt kein Pflaſter/ weder der Gedult noch
Hofnung heilen. Denn in der Liebe muß man ſtets
das ſchlimmeſte hoffen/ und alsdenn den Goͤt-
tern dancken/ wann das beſte erfolget. Und wenn
alle Welt verzagte/ hub endlich Talemon an/ ſo
muß doch ein Printz nicht kleinmuͤthig werden/
ſondern er ſoll auch ſo gar alles Ungluͤck eher uͤber-
winden als fliehen. Es behalte derowegen mein
Printz auch in dieſem Fall ein beſtaͤndiges tapffe-
res Gemuͤthe/ und laſſe ſich von den Drohungen
kuͤnfftigen Unfalls nicht abſchrecken: Denn un-
terweilen heben uns die Wellen aus einem ſin-
ckenden Schiffe/ und werffen uns in ein anders/
welches gluͤcklich in Hafen lendet. Ja einem ſol-
chen Hertzen iſt der Himmel guͤnſtig/ und laͤſſet
nicht geſchehen/ daß es in ſeiner Hoffnung zu
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