Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. ersiehet/ kan unsere Augen verblenden. Nach-dem ich aber ihre Schönheit etwas genauer be- trachtet: so schwere ich/ daß ihre Schönheit bey weitem nicht so vollkommen ist/ als sie sich im er- sten Anblick vorstellete. Die Augen sind zwar schöne/ doch ohne Strahlen/ welche ein Hertz ent- zünden sollen. Jhre Lippen scheinen mehr von einer Einfalt/ als Anmuth beseelet zu seyn. Die Brüste sind zwar Schneeberge/ iedoch ohne Flammen. Die Wangen sind mit einer unan- ständigen Röthe beschrencket/ und ihre gantze Ge- stalt versichert uns/ es wäre leicht eine grössere Schönheit anderswo zu finden. Ach schweiget Rolim! redete ihm der Käyser ein/ denn auch die- ses/ was ihr als Mängel auffsetzet/ entzücket mei- ne Augen am meisten: denn ihr/ als ein Feind der Wollust/ wisset nicht von der Schönheit zu ur- theilen. Was vor ein grausames Verhängniß a- ber hat mir dieses Liebes-Gifft eingeflösset/ daß ich brennen und verbrennen muß? Auff derowe- gen! ich wil erweisen/ daß Zwang und Tod eine verachte Liebe begleiten. Weil denn/ hielt ihn der Rolim auff/ J. M. ausser ihrer Liebe zu sterben vermeynen: so habe ich mit gutem Vorbedacht anfangs ihre endliche Bewilligung verschweigen wollen: Nachdem aber keine andere Artzney als ihre Gegen-Huld hier anschlagen wil: so wisse J. M. daß sie sich nunmehr entschlossen/ dem Verhängnisse/ welches ihr selbst zuwider scheinet/ nicht ferner zu widerstreben/ sondern den Käyser ihrer
Der Aſiatiſchen Baniſe. erſiehet/ kan unſere Augen verblenden. Nach-dem ich aber ihre Schoͤnheit etwas genauer be- trachtet: ſo ſchwere ich/ daß ihre Schoͤnheit bey weitem nicht ſo vollkommen iſt/ als ſie ſich im er- ſten Anblick vorſtellete. Die Augen ſind zwar ſchoͤne/ doch ohne Strahlen/ welche ein Hertz ent- zuͤnden ſollen. Jhre Lippen ſcheinen mehr von einer Einfalt/ als Anmuth beſeelet zu ſeyn. Die Bruͤſte ſind zwar Schneeberge/ iedoch ohne Flammen. Die Wangen ſind mit einer unan- ſtaͤndigen Roͤthe beſchrencket/ und ihre gantze Ge- ſtalt verſichert uns/ es waͤre leicht eine groͤſſere Schoͤnheit anderswo zu finden. Ach ſchweiget Rolim! redete ihm der Kaͤyſer ein/ denn auch die- ſes/ was ihr als Maͤngel auffſetzet/ entzuͤcket mei- ne Augen am meiſten: denn ihr/ als ein Feind der Wolluſt/ wiſſet nicht von der Schoͤnheit zu ur- theilen. Was vor ein grauſames Verhaͤngniß a- ber hat mir dieſes Liebes-Gifft eingefloͤſſet/ daß ich brennen und verbrennen muß? Auff derowe- gen! ich wil erweiſen/ daß Zwang und Tod eine verachte Liebe begleiten. Weil denn/ hielt ihn der Rolim auff/ J. M. auſſer ihrer Liebe zu ſterben vermeynen: ſo habe ich mit gutem Vorbedacht anfangs ihre endliche Bewilligung verſchweigen wollen: Nachdem aber keine andere Artzney als ihre Gegen-Huld hier anſchlagen wil: ſo wiſſe J. M. daß ſie ſich nunmehr entſchloſſen/ dem Verhaͤngniſſe/ welches ihr ſelbſt zuwider ſcheinet/ nicht ferner zu widerſtreben/ ſondern den Kaͤyſer ihrer
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Der Aſiatiſchen Baniſe.
erſiehet/ kan unſere Augen verblenden. Nach-
dem ich aber ihre Schoͤnheit etwas genauer be-
trachtet: ſo ſchwere ich/ daß ihre Schoͤnheit bey
weitem nicht ſo vollkommen iſt/ als ſie ſich im er-
ſten Anblick vorſtellete. Die Augen ſind zwar
ſchoͤne/ doch ohne Strahlen/ welche ein Hertz ent-
zuͤnden ſollen. Jhre Lippen ſcheinen mehr von
einer Einfalt/ als Anmuth beſeelet zu ſeyn. Die
Bruͤſte ſind zwar Schneeberge/ iedoch ohne
Flammen. Die Wangen ſind mit einer unan-
ſtaͤndigen Roͤthe beſchrencket/ und ihre gantze Ge-
ſtalt verſichert uns/ es waͤre leicht eine groͤſſere
Schoͤnheit anderswo zu finden. Ach ſchweiget
Rolim! redete ihm der Kaͤyſer ein/ denn auch die-
ſes/ was ihr als Maͤngel auffſetzet/ entzuͤcket mei-
ne Augen am meiſten: denn ihr/ als ein Feind der
Wolluſt/ wiſſet nicht von der Schoͤnheit zu ur-
theilen. Was vor ein grauſames Verhaͤngniß a-
ber hat mir dieſes Liebes-Gifft eingefloͤſſet/ daß
ich brennen und verbrennen muß? Auff derowe-
gen! ich wil erweiſen/ daß Zwang und Tod eine
verachte Liebe begleiten. Weil denn/ hielt ihn der
Rolim auff/ J. M. auſſer ihrer Liebe zu ſterben
vermeynen: ſo habe ich mit gutem Vorbedacht
anfangs ihre endliche Bewilligung verſchweigen
wollen: Nachdem aber keine andere Artzney als
ihre Gegen-Huld hier anſchlagen wil: ſo wiſſe
J. M. daß ſie ſich nunmehr entſchloſſen/ dem
Verhaͤngniſſe/ welches ihr ſelbſt zuwider ſcheinet/
nicht ferner zu widerſtreben/ ſondern den Kaͤyſer
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