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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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waren viel zu schwach/ den heissen Vorsatz im ge-
ringsten zu stören/ deßwegen er ihr auch bald mit
dieser Antwort begegnete: Schönstes Kind!
Saltzicht Wasser beflecket die Schönheit. Et-
was vergangenes und unwirderbringliches aber
zu beweinen/ ist ein Zeichen nicht wohl überlegter
Klugheit. Sie erfreue sich vielmehr/ wann ihr
der grosse Beherrscher des grösten Theils von Jn-
dien seinen Purpur anzeucht/ und ihr sein hertz
opffert. Der gröste Rebell und Bluthund in
Jndien/ hub der ungedultige Printz in geheim ge-
gen dem Scandor an/ welcher seinen Purpur in
unschuldigem Blute gefärbet hat. Ehe du aber
dein Hertz opfferst/ muß zuvor meines geopffert
seyn. Er hätte noch mehr geredet/ wenn ihn nicht
der Princeßin Stimme zu fernerm Auffmercken
angemahnet hätte: Zu dem/ sagte sie/ ist ja die
Käyserliche Burg vorhin ein Himmel/ mit schön-
sten Sonnen bezieret/ deren iede mich als einen ge-
ringen Stern verdunckelt. Einem solchen Herrn
aber müssen gestirnte Kertzen/ und nicht schlechte
Jrr-Liechter zu Bette leuchten. Sich selbst zu ver-
achten/ widerlegte ihr Chaumigrem auch dieses/
ist eine Art der Demuth: Wer nicht ihre Schön-
heit als ein vollkommenes Wesen betrachtet/ den
muß die Natur der Augen beraubet haben. Ach
keine/ keine reichet ihr den Schatten/ dieser Him-
mel wird nur durch sie erhellet. Jch erkenne mehr
als zu wohl/ wie der fruchtreiche Herbst ihre
Brust/ und der anmuthige Frühling ihre Lippen

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Anderes Buch.
waren viel zu ſchwach/ den heiſſen Vorſatz im ge-
ringſten zu ſtoͤren/ deßwegen er ihr auch bald mit
dieſer Antwort begegnete: Schoͤnſtes Kind!
Saltzicht Waſſer beflecket die Schoͤnheit. Et-
was vergangenes und unwirderbringliches aber
zu beweinen/ iſt ein Zeichen nicht wohl uͤberlegter
Klugheit. Sie erfreue ſich vielmehr/ wann ihr
der groſſe Beherrſcher des groͤſten Theils von Jn-
dien ſeinen Purpur anzeucht/ und ihr ſein hertz
opffert. Der groͤſte Rebell und Bluthund in
Jndien/ hub der ungedultige Printz in geheim ge-
gen dem Scandor an/ welcher ſeinen Purpur in
unſchuldigem Blute gefaͤrbet hat. Ehe du aber
dein Hertz opfferſt/ muß zuvor meines geopffert
ſeyn. Er haͤtte noch mehr geredet/ wenn ihn nicht
der Princeßin Stimme zu fernerm Auffmercken
angemahnet haͤtte: Zu dem/ ſagte ſie/ iſt ja die
Kaͤyſerliche Burg vorhin ein Himmel/ mit ſchoͤn-
ſten Sonnen bezieret/ deren iede mich als einen ge-
ringen Stern verdunckelt. Einem ſolchen Herrn
aber muͤſſen geſtirnte Kertzen/ und nicht ſchlechte
Jrr-Liechter zu Bette leuchten. Sich ſelbſt zu ver-
achten/ widerlegte ihr Chaumigrem auch dieſes/
iſt eine Art der Demuth: Wer nicht ihre Schoͤn-
heit als ein vollkommenes Weſen betrachtet/ den
muß die Natur der Augen beraubet haben. Ach
keine/ keine reichet ihr den Schatten/ dieſer Him-
mel wird nur durch ſie erhellet. Jch erkenne mehr
als zu wohl/ wie der fruchtreiche Herbſt ihre
Bruſt/ und der anmuthige Fruͤhling ihre Lippen

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[419/0439] Anderes Buch. waren viel zu ſchwach/ den heiſſen Vorſatz im ge- ringſten zu ſtoͤren/ deßwegen er ihr auch bald mit dieſer Antwort begegnete: Schoͤnſtes Kind! Saltzicht Waſſer beflecket die Schoͤnheit. Et- was vergangenes und unwirderbringliches aber zu beweinen/ iſt ein Zeichen nicht wohl uͤberlegter Klugheit. Sie erfreue ſich vielmehr/ wann ihr der groſſe Beherrſcher des groͤſten Theils von Jn- dien ſeinen Purpur anzeucht/ und ihr ſein hertz opffert. Der groͤſte Rebell und Bluthund in Jndien/ hub der ungedultige Printz in geheim ge- gen dem Scandor an/ welcher ſeinen Purpur in unſchuldigem Blute gefaͤrbet hat. Ehe du aber dein Hertz opfferſt/ muß zuvor meines geopffert ſeyn. Er haͤtte noch mehr geredet/ wenn ihn nicht der Princeßin Stimme zu fernerm Auffmercken angemahnet haͤtte: Zu dem/ ſagte ſie/ iſt ja die Kaͤyſerliche Burg vorhin ein Himmel/ mit ſchoͤn- ſten Sonnen bezieret/ deren iede mich als einen ge- ringen Stern verdunckelt. Einem ſolchen Herrn aber muͤſſen geſtirnte Kertzen/ und nicht ſchlechte Jrr-Liechter zu Bette leuchten. Sich ſelbſt zu ver- achten/ widerlegte ihr Chaumigrem auch dieſes/ iſt eine Art der Demuth: Wer nicht ihre Schoͤn- heit als ein vollkommenes Weſen betrachtet/ den muß die Natur der Augen beraubet haben. Ach keine/ keine reichet ihr den Schatten/ dieſer Him- mel wird nur durch ſie erhellet. Jch erkenne mehr als zu wohl/ wie der fruchtreiche Herbſt ihre Bruſt/ und der anmuthige Fruͤhling ihre Lippen beſee- D d 2

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/439>, abgerufen am 22.11.2024.