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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
hoffen wir dasjenige gutwillig zu geniessen/ was
sie ietzt vermeynt/ uns nimmermehr zu erlauben:
denn die Zeit kan alles ändern. Mit welchen
Worten er ihnen den Rücken zukehrete/ und das
Zimmer verließ. Ponnedro nahm hierauff die
vertraute Auffsicht mit Freuden an/ tröstete die
Princeßin mit den beweglichsten Worten/ und
suchte ein solches Zimmer auff der Burg zu ihrer
Beqvemligkeit aus/ welches nicht allein unter-
schiedene Ausgänge hatte/ sondern auch zu Aus-
führung eines und des andern Anschlages sehr be-
qvem war.

Die schöne Princeßin hatte kaum das Zim-
mer als ein freyes Gefängniß betreten/ so hatte sie
Ponnedro mit Hinterlassung seines Dolches et-
was verlassen/ in welcher Einsamkeit sie denn ih-
rer Wehmuth den Zügel völlig schiessen ließ/ und
den Dolch/ aus übeln Vorsatz/ in ihre Hand
nahm: So muß ich euch/ redete sie mit benetzten
Lippen/ O ihr wertheste Seelen meiner Anver-
wandten/ auch wider meinen Willen die ewige
Glückseligkeit mißgönnen/ als die ihr bereits in
der gestirnten Ewigkeit eure vollkommene Ver-
gnügung erreichet/ mich aber/ mich Elende/ in der
Angst-Grube dieser Welt/ der Himmel weiß/ zu
was noch vor Unglücke hinterlassen habt. Ach
hätte ich doch zugleich der bekümmerten Seelen
durch einen verborgenen Dolch einen rothen Aus-
gang gesucht/ als mir der Tyranne nicht zwar aus
Barmhertzigkeit/ sondern zu Vermehrung mei-

ner

Anderes Buch.
hoffen wir dasjenige gutwillig zu genieſſen/ was
ſie ietzt vermeynt/ uns nimmermehr zu erlauben:
denn die Zeit kan alles aͤndern. Mit welchen
Worten er ihnen den Ruͤcken zukehrete/ und das
Zimmer verließ. Ponnedro nahm hierauff die
vertraute Auffſicht mit Freuden an/ troͤſtete die
Princeßin mit den beweglichſten Worten/ und
ſuchte ein ſolches Zimmer auff der Burg zu ihrer
Beqvemligkeit aus/ welches nicht allein unter-
ſchiedene Ausgaͤnge hatte/ ſondern auch zu Aus-
fuͤhrung eines und des andern Anſchlages ſehr be-
qvem war.

Die ſchoͤne Princeßin hatte kaum das Zim-
mer als ein freyes Gefaͤngniß betreten/ ſo hatte ſie
Ponnedro mit Hinterlaſſung ſeines Dolches et-
was verlaſſen/ in welcher Einſamkeit ſie denn ih-
rer Wehmuth den Zuͤgel voͤllig ſchieſſen ließ/ und
den Dolch/ aus uͤbeln Vorſatz/ in ihre Hand
nahm: So muß ich euch/ redete ſie mit benetzten
Lippen/ O ihr wertheſte Seelen meiner Anver-
wandten/ auch wider meinen Willen die ewige
Gluͤckſeligkeit mißgoͤnnen/ als die ihr bereits in
der geſtirnten Ewigkeit eure vollkommene Ver-
gnuͤgung erreichet/ mich aber/ mich Elende/ in der
Angſt-Grube dieſer Welt/ der Himmel weiß/ zu
was noch vor Ungluͤcke hinterlaſſen habt. Ach
haͤtte ich doch zugleich der bekuͤmmerten Seelen
durch einen verborgenen Dolch einen rothen Aus-
gang geſucht/ als mir der Tyranne nicht zwar aus
Barmhertzigkeit/ ſondern zu Vermehrung mei-

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[395/0415] Anderes Buch. hoffen wir dasjenige gutwillig zu genieſſen/ was ſie ietzt vermeynt/ uns nimmermehr zu erlauben: denn die Zeit kan alles aͤndern. Mit welchen Worten er ihnen den Ruͤcken zukehrete/ und das Zimmer verließ. Ponnedro nahm hierauff die vertraute Auffſicht mit Freuden an/ troͤſtete die Princeßin mit den beweglichſten Worten/ und ſuchte ein ſolches Zimmer auff der Burg zu ihrer Beqvemligkeit aus/ welches nicht allein unter- ſchiedene Ausgaͤnge hatte/ ſondern auch zu Aus- fuͤhrung eines und des andern Anſchlages ſehr be- qvem war. Die ſchoͤne Princeßin hatte kaum das Zim- mer als ein freyes Gefaͤngniß betreten/ ſo hatte ſie Ponnedro mit Hinterlaſſung ſeines Dolches et- was verlaſſen/ in welcher Einſamkeit ſie denn ih- rer Wehmuth den Zuͤgel voͤllig ſchieſſen ließ/ und den Dolch/ aus uͤbeln Vorſatz/ in ihre Hand nahm: So muß ich euch/ redete ſie mit benetzten Lippen/ O ihr wertheſte Seelen meiner Anver- wandten/ auch wider meinen Willen die ewige Gluͤckſeligkeit mißgoͤnnen/ als die ihr bereits in der geſtirnten Ewigkeit eure vollkommene Ver- gnuͤgung erreichet/ mich aber/ mich Elende/ in der Angſt-Grube dieſer Welt/ der Himmel weiß/ zu was noch vor Ungluͤcke hinterlaſſen habt. Ach haͤtte ich doch zugleich der bekuͤmmerten Seelen durch einen verborgenen Dolch einen rothen Aus- gang geſucht/ als mir der Tyranne nicht zwar aus Barmhertzigkeit/ ſondern zu Vermehrung mei- ner

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/415>, abgerufen am 15.08.2024.