Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Anderes Buch. Die häuffig fliessenden Thränen vermochtennichts von ihrer Wangen-Zierde wegzuschwem- men/ und ihr holdseliges Wesen setzte den Chau- migrem in eine so tieffe Betrachtung/ daß er sie eine geraume Zeit nicht anzureden vermochte. So muß sie/ schöne Feindin/ fieng er endlich an/ dieje- nige seyn/ welche durch ihr Leben meinen Willen widerstehet. Die Princeßin hingegen bemühete sich auffs äusserste/ durch hefftigste Zorn-Blicke/ sich nicht allein ihm verhaßt zu machen/ sondern auch durch viele Schelt-Worte den Tyrannen dahin zu zwingen/ daß er an ihr den Todes-Be- fehl möge vollziehen lassen. Weder den Göttern/ hub sie thränende an/ noch dir/ du Blut-begieri- ger Tyrann/ vielweniger dem Abaxar/ welcher mir wider meinen Willen das Leben gefristet/ er- kenne ich mich mit dem wenigsten Dancke verpflich- tet. Denn ich schätze dieses vor die höchste Straffe der Götter/ daß ich mit meinen Augen den Ver- räther meines Vaterlandes/ den Hencker meiner Freunde/ und den Mörder meiner Landes-Leute sehen/ mich aber nicht nach Wunsche an ihm rä- chen soll. Hätte der Himmel doch noch ietzo dem Ponnedro das härteste Unglücke unterwegens be- gegnen lassen/ ehe er den Todes-Streich auff mich zurücke ziehen kunte: so wäre ich höchst ver- gnügt gestorben/ und könte dich bereits in der E- wigkeit/ nebst meinen werthen Eltern/ bey den Göttern/ als einen Tyrannen anklagen/ und sie um grausamste Rache wider dich anruffen. Sie bemü- B b 5
Anderes Buch. Die haͤuffig flieſſenden Thraͤnen vermochtennichts von ihrer Wangen-Zierde wegzuſchwem- men/ und ihr holdſeliges Weſen ſetzte den Chau- migrem in eine ſo tieffe Betrachtung/ daß er ſie eine geraume Zeit nicht anzureden vermochte. So muß ſie/ ſchoͤne Feindin/ fieng er endlich an/ dieje- nige ſeyn/ welche durch ihr Leben meinen Willen widerſtehet. Die Princeßin hingegen bemuͤhete ſich auffs aͤuſſerſte/ durch hefftigſte Zorn-Blicke/ ſich nicht allein ihm verhaßt zu machen/ ſondern auch durch viele Schelt-Worte den Tyrannen dahin zu zwingen/ daß er an ihr den Todes-Be- fehl moͤge vollziehen laſſen. Weder den Goͤttern/ hub ſie thraͤnende an/ noch dir/ du Blut-begieri- ger Tyrann/ vielweniger dem Abaxar/ welcher mir wider meinen Willen das Leben gefriſtet/ er- keñe ich mich mit dem wenigſtẽ Dancke verpflich- tet. Denn ich ſchaͤtze dieſes vor die hoͤchſte Straffe der Goͤtter/ daß ich mit meinen Augen den Ver- raͤther meines Vaterlandes/ den Hencker meiner Freunde/ und den Moͤrder meiner Landes-Leute ſehen/ mich aber nicht nach Wunſche an ihm raͤ- chen ſoll. Haͤtte der Himmel doch noch ietzo dem Ponnedro das haͤrteſte Ungluͤcke unterwegens be- gegnen laſſen/ ehe er den Todes-Streich auff mich zuruͤcke ziehen kunte: ſo waͤre ich hoͤchſt ver- gnuͤgt geſtorben/ und koͤnte dich bereits in der E- wigkeit/ nebſt meinen werthen Eltern/ bey den Goͤttern/ als einen Tyrannen anklagen/ und ſie um grauſamſte Rache wider dich anruffen. Sie bemuͤ- B b 5
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Anderes Buch.
Die haͤuffig flieſſenden Thraͤnen vermochten
nichts von ihrer Wangen-Zierde wegzuſchwem-
men/ und ihr holdſeliges Weſen ſetzte den Chau-
migrem in eine ſo tieffe Betrachtung/ daß er ſie
eine geraume Zeit nicht anzureden vermochte. So
muß ſie/ ſchoͤne Feindin/ fieng er endlich an/ dieje-
nige ſeyn/ welche durch ihr Leben meinen Willen
widerſtehet. Die Princeßin hingegen bemuͤhete
ſich auffs aͤuſſerſte/ durch hefftigſte Zorn-Blicke/
ſich nicht allein ihm verhaßt zu machen/ ſondern
auch durch viele Schelt-Worte den Tyrannen
dahin zu zwingen/ daß er an ihr den Todes-Be-
fehl moͤge vollziehen laſſen. Weder den Goͤttern/
hub ſie thraͤnende an/ noch dir/ du Blut-begieri-
ger Tyrann/ vielweniger dem Abaxar/ welcher
mir wider meinen Willen das Leben gefriſtet/ er-
keñe ich mich mit dem wenigſtẽ Dancke verpflich-
tet. Denn ich ſchaͤtze dieſes vor die hoͤchſte Straffe
der Goͤtter/ daß ich mit meinen Augen den Ver-
raͤther meines Vaterlandes/ den Hencker meiner
Freunde/ und den Moͤrder meiner Landes-Leute
ſehen/ mich aber nicht nach Wunſche an ihm raͤ-
chen ſoll. Haͤtte der Himmel doch noch ietzo dem
Ponnedro das haͤrteſte Ungluͤcke unterwegens be-
gegnen laſſen/ ehe er den Todes-Streich auff
mich zuruͤcke ziehen kunte: ſo waͤre ich hoͤchſt ver-
gnuͤgt geſtorben/ und koͤnte dich bereits in der E-
wigkeit/ nebſt meinen werthen Eltern/ bey den
Goͤttern/ als einen Tyrannen anklagen/ und ſie
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