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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Erstes Buch.
tabane als Lehn-Reich von Brama wissen/ und
uns zu Vasallen haben wolte. Dieses Urthel
war kaum ausgeschrien/ so erhub sich von den
Gerichts-Beamten und Henckers-Knechten ein
so abscheu- und düsterlich Geschrey/ daß einem die
Haare zu Berge stunden: Und hiermit griffen
die Hencker die Verurtheilten an. Was man
nun hier vor ein jämmerliches Schreyen und
Weinen anhören/ und vor hertzbrechende Geber-
den sehen muste/ wie sie einander um den Halß
fielen/ und mit tausend Thränen von einander
Abschied nahmen/ solches wird mir niemand ver-
üblen/ wenn ich/ als der ich es mit angesehen/ vor
übriger Wehmuth fast nicht mehr reden kan. Zu-
gleich hemmeten ihn auch die Thränen die Rede/
daß er eine ziemliche Weile schweigen muste/ und
wir ihme fast alle Gesellschafft leisteten/ ausser
der Käyser/ welchem man nur dann und wann ei-
nen Tropffen abfallen sahe. Als sich nun dieser be-
trübte Unglücks-Bothe in etwas wieder erholte/
fuhr er also fort:

Unsere werthe Königin steuerte sich inzwischen
auf eine alte Frau/ und war vor unaussprechli-
chen Betrübniß schon mehr als halb todt. Ehe
die andern aber sich von den unbarmhertzigen
Henckern wegschleppen liessen/ wolte gleich-
wohl eine von diesen armseligen Damen im Na-
men ihrer aller/ der Königin zuvor noch die unter-
thänige Ehren-Pflicht erzeigen/ und die letzte gute
Nacht sagen; Derowegen sie sie denn auf sol-

gen-

Erſtes Buch.
tabane als Lehn-Reich von Brama wiſſen/ und
uns zu Vaſallen haben wolte. Dieſes Urthel
war kaum ausgeſchrien/ ſo erhub ſich von den
Gerichts-Beamten und Henckers-Knechten ein
ſo abſcheu- und duͤſterlich Geſchrey/ daß einem die
Haare zu Berge ſtunden: Und hiermit griffen
die Hencker die Verurtheilten an. Was man
nun hier vor ein jaͤmmerliches Schreyen und
Weinen anhoͤren/ und vor hertzbrechende Geber-
den ſehen muſte/ wie ſie einander um den Halß
fielen/ und mit tauſend Thraͤnen von einander
Abſchied nahmen/ ſolches wird mir niemand ver-
uͤblen/ wenn ich/ als der ich es mit angeſehen/ vor
uͤbriger Wehmuth faſt nicht mehr reden kan. Zu-
gleich hemmeten ihn auch die Thraͤnen die Rede/
daß er eine ziemliche Weile ſchweigen muſte/ und
wir ihme faſt alle Geſellſchafft leiſteten/ auſſer
der Kaͤyſer/ welchem man nur dann und wann ei-
nen Tropffen abfallen ſahe. Als ſich nun dieſer be-
truͤbte Ungluͤcks-Bothe in etwas wieder erholte/
fuhr er alſo fort:

Unſere werthe Koͤnigin ſteuerte ſich inzwiſchen
auf eine alte Frau/ und war vor unausſprechli-
chen Betruͤbniß ſchon mehr als halb todt. Ehe
die andern aber ſich von den unbarmhertzigen
Henckern wegſchleppen lieſſen/ wolte gleich-
wohl eine von dieſen armſeligen Damen im Na-
men ihrer aller/ der Koͤnigin zuvor noch die unter-
thaͤnige Ehren-Pflicht erzeigen/ und die letzte gute
Nacht ſagen; Derowegen ſie ſie denn auf ſol-

gen-
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[235/0255] Erſtes Buch. tabane als Lehn-Reich von Brama wiſſen/ und uns zu Vaſallen haben wolte. Dieſes Urthel war kaum ausgeſchrien/ ſo erhub ſich von den Gerichts-Beamten und Henckers-Knechten ein ſo abſcheu- und duͤſterlich Geſchrey/ daß einem die Haare zu Berge ſtunden: Und hiermit griffen die Hencker die Verurtheilten an. Was man nun hier vor ein jaͤmmerliches Schreyen und Weinen anhoͤren/ und vor hertzbrechende Geber- den ſehen muſte/ wie ſie einander um den Halß fielen/ und mit tauſend Thraͤnen von einander Abſchied nahmen/ ſolches wird mir niemand ver- uͤblen/ wenn ich/ als der ich es mit angeſehen/ vor uͤbriger Wehmuth faſt nicht mehr reden kan. Zu- gleich hemmeten ihn auch die Thraͤnen die Rede/ daß er eine ziemliche Weile ſchweigen muſte/ und wir ihme faſt alle Geſellſchafft leiſteten/ auſſer der Kaͤyſer/ welchem man nur dann und wann ei- nen Tropffen abfallen ſahe. Als ſich nun dieſer be- truͤbte Ungluͤcks-Bothe in etwas wieder erholte/ fuhr er alſo fort: Unſere werthe Koͤnigin ſteuerte ſich inzwiſchen auf eine alte Frau/ und war vor unausſprechli- chen Betruͤbniß ſchon mehr als halb todt. Ehe die andern aber ſich von den unbarmhertzigen Henckern wegſchleppen lieſſen/ wolte gleich- wohl eine von dieſen armſeligen Damen im Na- men ihrer aller/ der Koͤnigin zuvor noch die unter- thaͤnige Ehren-Pflicht erzeigen/ und die letzte gute Nacht ſagen; Derowegen ſie ſie denn auf ſol- gen-

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/255>, abgerufen am 25.11.2024.