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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Erstes Buch.
gen Ruhe begaben; wiewol wir durch fleißige
Wachten alle Posten wohl besetzet liessen. Als
wir aber am sichersten zu seyn vermeyneten/ er-
scholle das erschreckliche Geschrey/ der Feind
sey schon in der Stadt/ und sey durch das Was-
ser-Thor hinein gedrungen. Ob nun zwar ein
ieder nach den Waffen griff/ so war es doch ver-
gebens/ weil Schrecken und Finsterniß uns ver-
wehrete/ zusammen zu kommen/ und also musten
wir gantz zerstreuet des traurigen Morgens er-
warten. Dieser war kaum angebrochen/ so er-
hub sich ein solch grausames Wüten/ Würgen
und Niederhauen/ dergleichen in Asien wol nie
mag geschehen seyn. Ein Theil/ und zwar die
wenigsten/ worunter auch mich das Glück oder
vielmehr das Unglück schloß/ wurden gefangen
genommen: Ein theil flohe der Königlichen
Burg zu/ wie wol zu höchstem Unglück des Kö-
nigl. Hauses/ denn der Feind drang sich zugleich
mit hinein/ und verfuhr doch so weit gelinder/ daß
er der Königin/ ihrer Kinder/ des sämmtlichen
Frauenzimmers und einiger grossen Herren ver-
schonete/ und sie nur gefänglich annahm. Wie
nun diesen wütenden Hunden ihre Faust an dem
Blut-trieffenden Schwerdte fast erstarrete/ hu-
ben sie an die herrliche und schöne Stadt nieder-
zureissen in willens/ sie der Erden gleich zu machen/
welchem der mit schweren Ketten belegte König
mit blutendem Hertzen zusehen muste. Was
ich aber zuvor von einiger Gelindigkeit gegen die

im
P 4

Erſtes Buch.
gen Ruhe begaben; wiewol wir durch fleißige
Wachten alle Poſten wohl beſetzet lieſſen. Als
wir aber am ſicherſten zu ſeyn vermeyneten/ er-
ſcholle das erſchreckliche Geſchrey/ der Feind
ſey ſchon in der Stadt/ und ſey durch das Waſ-
ſer-Thor hinein gedrungen. Ob nun zwar ein
ieder nach den Waffen griff/ ſo war es doch ver-
gebens/ weil Schrecken und Finſterniß uns ver-
wehrete/ zuſammen zu kommen/ und alſo muſten
wir gantz zerſtreuet des traurigen Morgens er-
warten. Dieſer war kaum angebrochen/ ſo er-
hub ſich ein ſolch grauſames Wuͤten/ Wuͤrgen
und Niederhauen/ dergleichen in Aſien wol nie
mag geſchehen ſeyn. Ein Theil/ und zwar die
wenigſten/ worunter auch mich das Gluͤck oder
vielmehr das Ungluͤck ſchloß/ wurden gefangen
genommen: Ein theil flohe der Koͤniglichen
Burg zu/ wie wol zu hoͤchſtem Ungluͤck des Koͤ-
nigl. Hauſes/ denn der Feind drang ſich zugleich
mit hinein/ und verfuhr doch ſo weit gelinder/ daß
er der Koͤnigin/ ihrer Kinder/ des ſaͤmmtlichen
Frauenzimmers und einiger groſſen Herren ver-
ſchonete/ und ſie nur gefaͤnglich annahm. Wie
nun dieſen wuͤtenden Hunden ihre Fauſt an dem
Blut-trieffenden Schwerdte faſt erſtarrete/ hu-
ben ſie an die herrliche und ſchoͤne Stadt nieder-
zureiſſen in willens/ ſie der Erden gleich zu machen/
welchem der mit ſchweren Ketten belegte Koͤnig
mit blutendem Hertzen zuſehen muſte. Was
ich aber zuvor von einiger Gelindigkeit gegen die

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P 4
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[231/0251] Erſtes Buch. gen Ruhe begaben; wiewol wir durch fleißige Wachten alle Poſten wohl beſetzet lieſſen. Als wir aber am ſicherſten zu ſeyn vermeyneten/ er- ſcholle das erſchreckliche Geſchrey/ der Feind ſey ſchon in der Stadt/ und ſey durch das Waſ- ſer-Thor hinein gedrungen. Ob nun zwar ein ieder nach den Waffen griff/ ſo war es doch ver- gebens/ weil Schrecken und Finſterniß uns ver- wehrete/ zuſammen zu kommen/ und alſo muſten wir gantz zerſtreuet des traurigen Morgens er- warten. Dieſer war kaum angebrochen/ ſo er- hub ſich ein ſolch grauſames Wuͤten/ Wuͤrgen und Niederhauen/ dergleichen in Aſien wol nie mag geſchehen ſeyn. Ein Theil/ und zwar die wenigſten/ worunter auch mich das Gluͤck oder vielmehr das Ungluͤck ſchloß/ wurden gefangen genommen: Ein theil flohe der Koͤniglichen Burg zu/ wie wol zu hoͤchſtem Ungluͤck des Koͤ- nigl. Hauſes/ denn der Feind drang ſich zugleich mit hinein/ und verfuhr doch ſo weit gelinder/ daß er der Koͤnigin/ ihrer Kinder/ des ſaͤmmtlichen Frauenzimmers und einiger groſſen Herren ver- ſchonete/ und ſie nur gefaͤnglich annahm. Wie nun dieſen wuͤtenden Hunden ihre Fauſt an dem Blut-trieffenden Schwerdte faſt erſtarrete/ hu- ben ſie an die herrliche und ſchoͤne Stadt nieder- zureiſſen in willens/ ſie der Erden gleich zu machen/ welchem der mit ſchweren Ketten belegte Koͤnig mit blutendem Hertzen zuſehen muſte. Was ich aber zuvor von einiger Gelindigkeit gegen die im P 4

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/251>, abgerufen am 22.11.2024.