Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.
entquoll meinem Herzen mit den blutigen Thrä- nen. Bruder! Dir darf ichs sagen, daß mir jede Nacht ihre blasse Todtengestalt erscheint, daß ich sie so kalt in meine Arme festdrücke, daß sie mir winkt, und daß sie mich nach sich zieht. O Ju- liette! Juliette! Guelfo. Geh doch! laß mich! Grimaldi. Fühlt' ich ihren Tod nicht so scharf! und würd' ihn schärfer fühlen -- Hab dich Gott, meine Liebe! Grimaldi wallt dir eine düstre Wallfahrt nach. Und gewiß wärst du noch hier; denn ich wollte dich gepflegt haben, wollte dich getragen haben, auf den Fittigen der erquik- kenden Liebe! O Juliette, du wärst noch unter uns! Guelfo. Jch bitt' Dich, Grimaldi, wieg mich nicht in diesen schwermüthigen Ton. Jch brauch Stärke; und bin ich nicht im nemlichen Fall? Grimaldi. Armer Guelfo! Guelfo. Wär' Kamilla nicht mein worden, und ich hätt' in den Armen der Liebe den Löwen Guelfo abgelegt? wär' still und friedlich gewor- den? -- Sie hatte Guelfos ganze Seele. Grimaldi. Du sagtests ihr? Guelfo.
entquoll meinem Herzen mit den blutigen Thraͤ- nen. Bruder! Dir darf ichs ſagen, daß mir jede Nacht ihre blaſſe Todtengeſtalt erſcheint, daß ich ſie ſo kalt in meine Arme feſtdruͤcke, daß ſie mir winkt, und daß ſie mich nach ſich zieht. O Ju- liette! Juliette! Guelfo. Geh doch! laß mich! Grimaldi. Fuͤhlt’ ich ihren Tod nicht ſo ſcharf! und wuͤrd’ ihn ſchaͤrfer fuͤhlen — Hab dich Gott, meine Liebe! Grimaldi wallt dir eine duͤſtre Wallfahrt nach. Und gewiß waͤrſt du noch hier; denn ich wollte dich gepflegt haben, wollte dich getragen haben, auf den Fittigen der erquik- kenden Liebe! O Juliette, du waͤrſt noch unter uns! Guelfo. Jch bitt’ Dich, Grimaldi, wieg mich nicht in dieſen ſchwermuͤthigen Ton. Jch brauch Staͤrke; und bin ich nicht im nemlichen Fall? Grimaldi. Armer Guelfo! Guelfo. Waͤr’ Kamilla nicht mein worden, und ich haͤtt’ in den Armen der Liebe den Loͤwen Guelfo abgelegt? waͤr’ ſtill und friedlich gewor- den? — Sie hatte Guelfos ganze Seele. Grimaldi. Du ſagteſts ihr? Guelfo.
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entquoll meinem Herzen mit den blutigen Thraͤ-
nen. Bruder! Dir darf ichs ſagen, daß mir jede
Nacht ihre blaſſe Todtengeſtalt erſcheint, daß ich
ſie ſo kalt in meine Arme feſtdruͤcke, daß ſie mir
winkt, und daß ſie mich nach ſich zieht. O Ju-
liette! Juliette!
Guelfo. Geh doch! laß mich!
Grimaldi. Fuͤhlt’ ich ihren Tod nicht ſo
ſcharf! und wuͤrd’ ihn ſchaͤrfer fuͤhlen — Hab
dich Gott, meine Liebe! Grimaldi wallt dir eine
duͤſtre Wallfahrt nach. Und gewiß waͤrſt du noch
hier; denn ich wollte dich gepflegt haben, wollte
dich getragen haben, auf den Fittigen der erquik-
kenden Liebe! O Juliette, du waͤrſt noch unter
uns!
Guelfo. Jch bitt’ Dich, Grimaldi, wieg
mich nicht in dieſen ſchwermuͤthigen Ton. Jch
brauch Staͤrke; und bin ich nicht im nemlichen
Fall?
Grimaldi. Armer Guelfo!
Guelfo. Waͤr’ Kamilla nicht mein worden,
und ich haͤtt’ in den Armen der Liebe den Loͤwen
Guelfo abgelegt? waͤr’ ſtill und friedlich gewor-
den? — Sie hatte Guelfos ganze Seele.
Grimaldi. Du ſagteſts ihr?
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