Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.
mein lieber Guelfo, wenn einem das genommen ist, was einem Leben giebt, wenn einem noch da- zu der Weg verlegt ist, den zu gehen man ge- macht ist? Guelfo. Man räumts weg, Grimaldi! Grimaldi. Denn muß man auch das vo- rige Gefühl wieder in sich sammlen können. Aber, Guelfo, wenn das nun all niedergerissen ist, was uns damals trieb, wie den jungen Adler, der sei- ne Schwingen stark fühlt, den Weg zur Sonne zu schweben -- wenn das nun nicht mehr aufzu- wecken ist -- Lieber Guelfo, ich schein' mir dem geblendeten Adler zu gleichen, der sein Leben in den Felsen austrauert. Was hülfe mirs nun auch, wenn ich mich wieder aufzutreiben suchte, einige Schritte taumelte, und mich doch nicht an der Sonne erquicken könnte, worauf es ankömmt! Guelfo. Das kömmt all wieder. Man findt sich, und das andre findt sich auch. (unverwandt durchs Fenster nach der Strasse.) Grimaldi. Ja, es kam einstens ein Son- nenblick! -- Guelfo, Du weißt doch auch, wer kam, und mir die Nacht vors goldne Strählchen feindlich stellte, daß ich weiter nichts erblickte, als Haß und bösen Genius in mir? -- War das Erquickung für mein Herz, als mir die Lichtge- stalt
mein lieber Guelfo, wenn einem das genommen iſt, was einem Leben giebt, wenn einem noch da- zu der Weg verlegt iſt, den zu gehen man ge- macht iſt? Guelfo. Man raͤumts weg, Grimaldi! Grimaldi. Denn muß man auch das vo- rige Gefuͤhl wieder in ſich ſammlen koͤnnen. Aber, Guelfo, wenn das nun all niedergeriſſen iſt, was uns damals trieb, wie den jungen Adler, der ſei- ne Schwingen ſtark fuͤhlt, den Weg zur Sonne zu ſchweben — wenn das nun nicht mehr aufzu- wecken iſt — Lieber Guelfo, ich ſchein’ mir dem geblendeten Adler zu gleichen, der ſein Leben in den Felſen austrauert. Was huͤlfe mirs nun auch, wenn ich mich wieder aufzutreiben ſuchte, einige Schritte taumelte, und mich doch nicht an der Sonne erquicken koͤnnte, worauf es ankoͤmmt! Guelfo. Das koͤmmt all wieder. Man findt ſich, und das andre findt ſich auch. (unverwandt durchs Fenſter nach der Straſſe.) Grimaldi. Ja, es kam einſtens ein Son- nenblick! — Guelfo, Du weißt doch auch, wer kam, und mir die Nacht vors goldne Straͤhlchen feindlich ſtellte, daß ich weiter nichts erblickte, als Haß und boͤſen Genius in mir? — War das Erquickung fuͤr mein Herz, als mir die Lichtge- ſtalt
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mein lieber Guelfo, wenn einem das genommen
iſt, was einem Leben giebt, wenn einem noch da-
zu der Weg verlegt iſt, den zu gehen man ge-
macht iſt?
Guelfo. Man raͤumts weg, Grimaldi!
Grimaldi. Denn muß man auch das vo-
rige Gefuͤhl wieder in ſich ſammlen koͤnnen. Aber,
Guelfo, wenn das nun all niedergeriſſen iſt, was
uns damals trieb, wie den jungen Adler, der ſei-
ne Schwingen ſtark fuͤhlt, den Weg zur Sonne
zu ſchweben — wenn das nun nicht mehr aufzu-
wecken iſt — Lieber Guelfo, ich ſchein’ mir dem
geblendeten Adler zu gleichen, der ſein Leben in
den Felſen austrauert. Was huͤlfe mirs nun
auch, wenn ich mich wieder aufzutreiben ſuchte,
einige Schritte taumelte, und mich doch nicht an
der Sonne erquicken koͤnnte, worauf es ankoͤmmt!
Guelfo. Das koͤmmt all wieder. Man findt
ſich, und das andre findt ſich auch. (unverwandt
durchs Fenſter nach der Straſſe.)
Grimaldi. Ja, es kam einſtens ein Son-
nenblick! — Guelfo, Du weißt doch auch, wer
kam, und mir die Nacht vors goldne Straͤhlchen
feindlich ſtellte, daß ich weiter nichts erblickte, als
Haß und boͤſen Genius in mir? — War das
Erquickung fuͤr mein Herz, als mir die Lichtge-
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