Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Amalia. Vom Bruder nicht erschlagen!
Gott! nein! -- Ha! Du willst sagen, er thats!
Du willst, daß ich die Stunde verfluche, in wel-
cher ich zwei rüstige Knaben gebar?
Alter Guelfo. Du sollst die Stunde der
Geburt verfluchen, die den Mörder brachte. Von
ihm erschlagen liegt er! Kein Mensch auf Erden
schlägt solche Todeswunden als Guelfo.
Amalia. Nein! nicht! Mein Einziger und
jetzt mein Einziger thats nicht! Hat er nicht seine
Mutter lieb? und sollt' ihr den Geliebten er-
schlagen?
Alter Guelfo. Decke die Decke des Todes
über ihn! Er schlug ihn an der Stätte, wo er
seinen Geist aufsteigen sah'. -- Riß der Hund des
Erschlagenen nicht ein Stück aus dem Gewand
des Mörders? Jst seine wüthende Spur nicht in
Boden eingedrückt? -- Decke die Decke des To-
des über den Holden! Und nun laß Deinen Guel-
fo kommen, den Todten vor der Stirne stehen,
das Bekenntniß ablegen, den Mord abschwören,
die blutige Locke in der Hand, die Todeswunde
betasten, aus welcher das friedliche Leben quoll,
aus welcher des Vaters Leben quoll! Laß ihn kom-
men, und das thun.
Ama-
Amalia. Vom Bruder nicht erſchlagen!
Gott! nein! — Ha! Du willſt ſagen, er thats!
Du willſt, daß ich die Stunde verfluche, in wel-
cher ich zwei ruͤſtige Knaben gebar?
Alter Guelfo. Du ſollſt die Stunde der
Geburt verfluchen, die den Moͤrder brachte. Von
ihm erſchlagen liegt er! Kein Menſch auf Erden
ſchlaͤgt ſolche Todeswunden als Guelfo.
Amalia. Nein! nicht! Mein Einziger und
jetzt mein Einziger thats nicht! Hat er nicht ſeine
Mutter lieb? und ſollt’ ihr den Geliebten er-
ſchlagen?
Alter Guelfo. Decke die Decke des Todes
uͤber ihn! Er ſchlug ihn an der Staͤtte, wo er
ſeinen Geiſt aufſteigen ſah’. — Riß der Hund des
Erſchlagenen nicht ein Stuͤck aus dem Gewand
des Moͤrders? Jſt ſeine wuͤthende Spur nicht in
Boden eingedruͤckt? — Decke die Decke des To-
des uͤber den Holden! Und nun laß Deinen Guel-
fo kommen, den Todten vor der Stirne ſtehen,
das Bekenntniß ablegen, den Mord abſchwoͤren,
die blutige Locke in der Hand, die Todeswunde
betaſten, aus welcher das friedliche Leben quoll,
aus welcher des Vaters Leben quoll! Laß ihn kom-
men, und das thun.
Ama-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0111" n="105"/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Amalia.</hi> </speaker>
              <p>Vom Bruder nicht er&#x017F;chlagen!<lb/>
Gott! nein! &#x2014; Ha! Du will&#x017F;t &#x017F;agen, er thats!<lb/>
Du will&#x017F;t, daß ich die Stunde verfluche, in wel-<lb/>
cher ich zwei ru&#x0364;&#x017F;tige Knaben gebar?</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Alter Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Du &#x017F;oll&#x017F;t die Stunde der<lb/>
Geburt verfluchen, die den Mo&#x0364;rder brachte. Von<lb/>
ihm er&#x017F;chlagen liegt er! Kein Men&#x017F;ch auf Erden<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gt &#x017F;olche Todeswunden als Guelfo.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Amalia.</hi> </speaker>
              <p>Nein! nicht! Mein Einziger und<lb/>
jetzt mein Einziger thats nicht! Hat er nicht &#x017F;eine<lb/>
Mutter lieb? und &#x017F;ollt&#x2019; ihr den Geliebten er-<lb/>
&#x017F;chlagen?</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Alter Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Decke die Decke des Todes<lb/>
u&#x0364;ber ihn! Er &#x017F;chlug ihn an der Sta&#x0364;tte, wo er<lb/>
&#x017F;einen Gei&#x017F;t auf&#x017F;teigen &#x017F;ah&#x2019;. &#x2014; Riß der Hund des<lb/>
Er&#x017F;chlagenen nicht ein Stu&#x0364;ck aus dem Gewand<lb/>
des Mo&#x0364;rders? J&#x017F;t &#x017F;eine wu&#x0364;thende Spur nicht in<lb/>
Boden eingedru&#x0364;ckt? &#x2014; Decke die Decke des To-<lb/>
des u&#x0364;ber den Holden! Und nun laß Deinen Guel-<lb/>
fo kommen, den Todten vor der Stirne &#x017F;tehen,<lb/>
das Bekenntniß ablegen, den Mord ab&#x017F;chwo&#x0364;ren,<lb/>
die blutige Locke in der Hand, die Todeswunde<lb/>
beta&#x017F;ten, aus welcher das friedliche Leben quoll,<lb/>
aus welcher des Vaters Leben quoll! Laß ihn kom-<lb/>
men, und das thun.</p>
            </sp><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Ama-</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0111] Amalia. Vom Bruder nicht erſchlagen! Gott! nein! — Ha! Du willſt ſagen, er thats! Du willſt, daß ich die Stunde verfluche, in wel- cher ich zwei ruͤſtige Knaben gebar? Alter Guelfo. Du ſollſt die Stunde der Geburt verfluchen, die den Moͤrder brachte. Von ihm erſchlagen liegt er! Kein Menſch auf Erden ſchlaͤgt ſolche Todeswunden als Guelfo. Amalia. Nein! nicht! Mein Einziger und jetzt mein Einziger thats nicht! Hat er nicht ſeine Mutter lieb? und ſollt’ ihr den Geliebten er- ſchlagen? Alter Guelfo. Decke die Decke des Todes uͤber ihn! Er ſchlug ihn an der Staͤtte, wo er ſeinen Geiſt aufſteigen ſah’. — Riß der Hund des Erſchlagenen nicht ein Stuͤck aus dem Gewand des Moͤrders? Jſt ſeine wuͤthende Spur nicht in Boden eingedruͤckt? — Decke die Decke des To- des uͤber den Holden! Und nun laß Deinen Guel- fo kommen, den Todten vor der Stirne ſtehen, das Bekenntniß ablegen, den Mord abſchwoͤren, die blutige Locke in der Hand, die Todeswunde betaſten, aus welcher das friedliche Leben quoll, aus welcher des Vaters Leben quoll! Laß ihn kom- men, und das thun. Ama-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/111
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/111>, abgerufen am 24.11.2024.