Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.
Todten mit Thränen salben, den Einzigen mit Küssen zum Leben rufen! Heult! heult! heult! Guelfo schläft ja. O laß mich schlafen, fünf Augenblicke nur! -- Laß mich schlafen einen Au- genblick -- o denn nur einen halben! -- -- Ha, Grimaldi! Er faßte die dicke Eiche, schlung sich drum herum, als wollt' er sein Leben halten -- und ich riß ihm Eich' und Leben aus der Hand, das er fest hielt! -- Er sah nach mir mit einem Blick, der so todt, bittend und voll Angst war -- schrie: Bruder! Bruder! Kamilla! -- Die rief er zuletzt, und das war gut. Da kriegt' er den Schlag! -- Guelfo! mußt' er Kamilla rufen? -- -- Ha! Schreckgeister! Guelfo schläft. -- (Der Vorhang fällt.) Fünfter Aufzug. Erster Auftritt. (Ein düsteres Zimmer.) Ferdinandos Leichnam liegt auf einem Bette; Amalia und Kamilla netzen ihn mit Thränen, zu seinem Haupt stehend. Der alte Gnelfo steht in einiger Entfernung. Stiller, heftiger Ausdruck des Schmerzes. Alter Guelfo (nach einer langen Pause.) Wollt Jhr Leichen auf Leichen häufen? Weiber! Weiber! weg! erbarmt Euch! Ama-
Todten mit Thraͤnen ſalben, den Einzigen mit Kuͤſſen zum Leben rufen! Heult! heult! heult! Guelfo ſchlaͤft ja. O laß mich ſchlafen, fuͤnf Augenblicke nur! — Laß mich ſchlafen einen Au- genblick — o denn nur einen halben! — — Ha, Grimaldi! Er faßte die dicke Eiche, ſchlung ſich drum herum, als wollt’ er ſein Leben halten — und ich riß ihm Eich’ und Leben aus der Hand, das er feſt hielt! — Er ſah nach mir mit einem Blick, der ſo todt, bittend und voll Angſt war — ſchrie: Bruder! Bruder! Kamilla! — Die rief er zuletzt, und das war gut. Da kriegt’ er den Schlag! — Guelfo! mußt’ er Kamilla rufen? — — Ha! Schreckgeiſter! Guelfo ſchlaͤft. — (Der Vorhang faͤllt.) Fuͤnfter Aufzug. Erſter Auftritt. (Ein duͤſteres Zimmer.) Ferdinandos Leichnam liegt auf einem Bette; Amalia und Kamilla netzen ihn mit Thraͤnen, zu ſeinem Haupt ſtehend. Der alte Gnelfo ſteht in einiger Entfernung. Stiller, heftiger Ausdruck des Schmerzes. Alter Guelfo (nach einer langen Pauſe.) Wollt Jhr Leichen auf Leichen haͤufen? Weiber! Weiber! weg! erbarmt Euch! Ama-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp> <p><pb facs="#f0108" n="102"/> Todten mit Thraͤnen ſalben, den Einzigen mit<lb/> Kuͤſſen zum Leben rufen! Heult! heult! heult!<lb/> Guelfo ſchlaͤft ja. O laß mich ſchlafen, fuͤnf<lb/> Augenblicke nur! — Laß mich ſchlafen einen Au-<lb/> genblick — o denn nur einen halben! — — Ha,<lb/> Grimaldi! Er faßte die dicke Eiche, ſchlung ſich<lb/> drum herum, als wollt’ er ſein Leben halten —<lb/> und ich riß ihm Eich’ und Leben aus der Hand,<lb/> das er feſt hielt! — Er ſah nach mir mit einem<lb/> Blick, der ſo todt, bittend und voll Angſt war —<lb/> ſchrie: Bruder! Bruder! Kamilla! — Die rief<lb/> er zuletzt, und das war gut. Da kriegt’ er den<lb/> Schlag! — Guelfo! mußt’ er Kamilla rufen?<lb/> — — Ha! Schreckgeiſter! Guelfo ſchlaͤft. —</p> </sp><lb/> <stage>(Der Vorhang faͤllt.)</stage> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Fuͤnfter Aufzug.</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Erſter Auftritt.</hi> </hi> </head><lb/> <stage>(Ein <hi rendition="#g">duͤſteres</hi> Zimmer.)<lb/><hi rendition="#fr">Ferdinandos</hi> Leichnam liegt auf einem Bette;<lb/><hi rendition="#fr">Amalia</hi> und Kamilla netzen ihn mit Thraͤnen,<lb/> zu ſeinem Haupt ſtehend. <hi rendition="#fr">Der alte Gnelfo</hi><lb/> ſteht in einiger Entfernung. Stiller, heftiger<lb/> Ausdruck des Schmerzes.</stage><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Alter Guelfo</hi> </speaker> <stage>(nach einer langen Pauſe.)</stage><lb/> <p>Wollt Jhr Leichen auf Leichen haͤufen? Weiber!<lb/> Weiber! weg! erbarmt Euch!</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Ama-</hi> </fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0108]
Todten mit Thraͤnen ſalben, den Einzigen mit
Kuͤſſen zum Leben rufen! Heult! heult! heult!
Guelfo ſchlaͤft ja. O laß mich ſchlafen, fuͤnf
Augenblicke nur! — Laß mich ſchlafen einen Au-
genblick — o denn nur einen halben! — — Ha,
Grimaldi! Er faßte die dicke Eiche, ſchlung ſich
drum herum, als wollt’ er ſein Leben halten —
und ich riß ihm Eich’ und Leben aus der Hand,
das er feſt hielt! — Er ſah nach mir mit einem
Blick, der ſo todt, bittend und voll Angſt war —
ſchrie: Bruder! Bruder! Kamilla! — Die rief
er zuletzt, und das war gut. Da kriegt’ er den
Schlag! — Guelfo! mußt’ er Kamilla rufen?
— — Ha! Schreckgeiſter! Guelfo ſchlaͤft. —
(Der Vorhang faͤllt.)
Fuͤnfter Aufzug.
Erſter Auftritt.
(Ein duͤſteres Zimmer.)
Ferdinandos Leichnam liegt auf einem Bette;
Amalia und Kamilla netzen ihn mit Thraͤnen,
zu ſeinem Haupt ſtehend. Der alte Gnelfo
ſteht in einiger Entfernung. Stiller, heftiger
Ausdruck des Schmerzes.
Alter Guelfo (nach einer langen Pauſe.)
Wollt Jhr Leichen auf Leichen haͤufen? Weiber!
Weiber! weg! erbarmt Euch!
Ama-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |