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Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

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Guelfo. Nein, ich habs nun sehr genung.
Laß mich das zusammenrechnen, was ich gehört
habe. Caßius, Grimaldi! Caßius!
Grimaldi. Du nennst ihn eben so oft, als
Du sonst eine gewisse Donna nanntest. Gilt der
mehr bey Dir, als Brutus?
Guelfo. Das glaub' ich. Was in dem
Menschen lag! Oh! wenn Du mir jeden Tag ei-
nen solchen Charakter aufstelltest, Grimaldi! Du
solltest der einzige Mensch seyn, den ich liebte.
Grimaldi. Und ich wär' der einzige Mensch
auf Gottes Boden, der am meisten litte. Jch
zieh' mir den Brutus vor.
Guelfo. Jch fühl' den Caßius näher. Und
Grimaldi, darauf kömmts doch an. Wie viel ge-
winnt der Mahler, wenn er mir ein Gemählde
hinstellt, wofür ich den Spiegel in mir habe.
Mir gehts in allen Fällen so. Jch kann eigent-
lich den nur recht durchschauen, ganz meinem Her-
zen nachfühlen und bestimmen, der am meisten
mit mir übereinkömmt; der meine Seele so trift,
daß ich gleich das Reißblei nehmen möchte, ihn
lebendig hinzuwerfen. Deßwegen gewinnen bei
mir Dichter und Geschichtschreiber so selten. Hu,
hagrer Caßius! Mir ists, als stieg er vor mir
auf. Jch werd' diese Nacht unruhig schlafen.
Gri-
Guelfo. Nein, ich habs nun ſehr genung.
Laß mich das zuſammenrechnen, was ich gehoͤrt
habe. Caßius, Grimaldi! Caßius!
Grimaldi. Du nennſt ihn eben ſo oft, als
Du ſonſt eine gewiſſe Donna nannteſt. Gilt der
mehr bey Dir, als Brutus?
Guelfo. Das glaub’ ich. Was in dem
Menſchen lag! Oh! wenn Du mir jeden Tag ei-
nen ſolchen Charakter aufſtellteſt, Grimaldi! Du
ſollteſt der einzige Menſch ſeyn, den ich liebte.
Grimaldi. Und ich waͤr’ der einzige Menſch
auf Gottes Boden, der am meiſten litte. Jch
zieh’ mir den Brutus vor.
Guelfo. Jch fuͤhl’ den Caßius naͤher. Und
Grimaldi, darauf koͤmmts doch an. Wie viel ge-
winnt der Mahler, wenn er mir ein Gemaͤhlde
hinſtellt, wofuͤr ich den Spiegel in mir habe.
Mir gehts in allen Faͤllen ſo. Jch kann eigent-
lich den nur recht durchſchauen, ganz meinem Her-
zen nachfuͤhlen und beſtimmen, der am meiſten
mit mir uͤbereinkoͤmmt; der meine Seele ſo trift,
daß ich gleich das Reißblei nehmen moͤchte, ihn
lebendig hinzuwerfen. Deßwegen gewinnen bei
mir Dichter und Geſchichtſchreiber ſo ſelten. Hu,
hagrer Caßius! Mir iſts, als ſtieg er vor mir
auf. Jch werd’ dieſe Nacht unruhig ſchlafen.
Gri-
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[4/0010] Guelfo. Nein, ich habs nun ſehr genung. Laß mich das zuſammenrechnen, was ich gehoͤrt habe. Caßius, Grimaldi! Caßius! Grimaldi. Du nennſt ihn eben ſo oft, als Du ſonſt eine gewiſſe Donna nannteſt. Gilt der mehr bey Dir, als Brutus? Guelfo. Das glaub’ ich. Was in dem Menſchen lag! Oh! wenn Du mir jeden Tag ei- nen ſolchen Charakter aufſtellteſt, Grimaldi! Du ſollteſt der einzige Menſch ſeyn, den ich liebte. Grimaldi. Und ich waͤr’ der einzige Menſch auf Gottes Boden, der am meiſten litte. Jch zieh’ mir den Brutus vor. Guelfo. Jch fuͤhl’ den Caßius naͤher. Und Grimaldi, darauf koͤmmts doch an. Wie viel ge- winnt der Mahler, wenn er mir ein Gemaͤhlde hinſtellt, wofuͤr ich den Spiegel in mir habe. Mir gehts in allen Faͤllen ſo. Jch kann eigent- lich den nur recht durchſchauen, ganz meinem Her- zen nachfuͤhlen und beſtimmen, der am meiſten mit mir uͤbereinkoͤmmt; der meine Seele ſo trift, daß ich gleich das Reißblei nehmen moͤchte, ihn lebendig hinzuwerfen. Deßwegen gewinnen bei mir Dichter und Geſchichtſchreiber ſo ſelten. Hu, hagrer Caßius! Mir iſts, als ſtieg er vor mir auf. Jch werd’ dieſe Nacht unruhig ſchlafen. Gri-

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/10>, abgerufen am 23.11.2024.