"Ueppigkeit selbst untergräbt. Die Stü- "tzen der uns fürchterlichen Religion stür- "zen zusammen, und wenn der Ewige dem "sinkenden Gebäude nicht durch neue Wun- "der zu Hülfe eilt, so wird sie von der Er- "de verschwinden, und wir werden noch- "mals in den Tempeln als angebetete Göt- "ter glänzen. Wo bleibt der Geist des "Menschen stehen, wenn er angefangen hat "das zu beleuchten, was er als Heiligthum "verehrt hat? Er tanzt auf dem Grabe des "Tyrannen, vor dem er noch gestern gezit- "tert, zerschlägt gänzlich den Altar, auf "dem er geopfert hat, wenn er einmal un- "ternimmt, dem Weg zum Himmel auf seine "Weise nachzuspähen. Wer mag ihren "rastlosen Geist auf Jahrtausende fesseln? "Vermag der, der sie geschaffen, nur einen "sich so zuzueignen, daß er nicht millionen- "mal unserm Reiche näher als dem seinen "sey? Alles mißbraucht der Mensch, die "Kraft seiner Seele und seines Leibes; Al- "les was er sieht, hört, betastet, fühlt und
"denkt,
„Ueppigkeit ſelbſt untergraͤbt. Die Stuͤ- „tzen der uns fuͤrchterlichen Religion ſtuͤr- „zen zuſammen, und wenn der Ewige dem „ſinkenden Gebaͤude nicht durch neue Wun- „der zu Huͤlfe eilt, ſo wird ſie von der Er- „de verſchwinden, und wir werden noch- „mals in den Tempeln als angebetete Goͤt- „ter glaͤnzen. Wo bleibt der Geiſt des „Menſchen ſtehen, wenn er angefangen hat „das zu beleuchten, was er als Heiligthum „verehrt hat? Er tanzt auf dem Grabe des „Tyrannen, vor dem er noch geſtern gezit- „tert, zerſchlaͤgt gaͤnzlich den Altar, auf „dem er geopfert hat, wenn er einmal un- „ternimmt, dem Weg zum Himmel auf ſeine „Weiſe nachzuſpaͤhen. Wer mag ihren „raſtloſen Geiſt auf Jahrtauſende feſſeln? „Vermag der, der ſie geſchaffen, nur einen „ſich ſo zuzueignen, daß er nicht millionen- „mal unſerm Reiche naͤher als dem ſeinen „ſey? Alles mißbraucht der Menſch, die „Kraft ſeiner Seele und ſeines Leibes; Al- „les was er ſieht, hoͤrt, betaſtet, fuͤhlt und
„denkt,
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„Ueppigkeit ſelbſt untergraͤbt. Die Stuͤ-
„tzen der uns fuͤrchterlichen Religion ſtuͤr-
„zen zuſammen, und wenn der Ewige dem
„ſinkenden Gebaͤude nicht durch neue Wun-
„der zu Huͤlfe eilt, ſo wird ſie von der Er-
„de verſchwinden, und wir werden noch-
„mals in den Tempeln als angebetete Goͤt-
„ter glaͤnzen. Wo bleibt der Geiſt des
„Menſchen ſtehen, wenn er angefangen hat
„das zu beleuchten, was er als Heiligthum
„verehrt hat? Er tanzt auf dem Grabe des
„Tyrannen, vor dem er noch geſtern gezit-
„tert, zerſchlaͤgt gaͤnzlich den Altar, auf
„dem er geopfert hat, wenn er einmal un-
„ternimmt, dem Weg zum Himmel auf ſeine
„Weiſe nachzuſpaͤhen. Wer mag ihren
„raſtloſen Geiſt auf Jahrtauſende feſſeln?
„Vermag der, der ſie geſchaffen, nur einen
„ſich ſo zuzueignen, daß er nicht millionen-
„mal unſerm Reiche naͤher als dem ſeinen
„ſey? Alles mißbraucht der Menſch, die
„Kraft ſeiner Seele und ſeines Leibes; Al-
„les was er ſieht, hoͤrt, betaſtet, fuͤhlt und
„denkt,
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/45>, abgerufen am 24.11.2024.
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