durch seine blonde, über sein Gesicht gefallene Haare blies, und ihn hin und her schaukelte, entdeckte Fausten seine ju- gendliche Bildung. Er brach bey die- sem Anblick in Thränen aus, und rief mit bebender Stimme:
"Armer Jüngling, in der ersten Blüthe "des Lebens schon hier, am verfluchten Hol- "ze? Was kannst du verbrochen haben, "daß dich das Gericht der Menschen so früh "verurtheilt hat?"
Teufel.mit ernstem und feyerli- chem Tone: Faust, dieses ist dein Werk!
Faust. Mein Werk?
Teufel. Dein Werk! Sieh ihn genau an -- es ist dein ältester Sohn!
Faust blickte hinauf, erkannte ihn, und sank vom Pferde.
Teufel. Schon jezt vernichtet? So wirst du mich bald um die Früchte meiner Mühe bringen, die ich nur in deinem Jammer erndten kann. Winsle und stöhne, die Stunde naht, worin ich dir den dicken
Schleier
durch ſeine blonde, uͤber ſein Geſicht gefallene Haare blies, und ihn hin und her ſchaukelte, entdeckte Fauſten ſeine ju- gendliche Bildung. Er brach bey die- ſem Anblick in Thraͤnen aus, und rief mit bebender Stimme:
„Armer Juͤngling, in der erſten Bluͤthe „des Lebens ſchon hier, am verfluchten Hol- „ze? Was kannſt du verbrochen haben, „daß dich das Gericht der Menſchen ſo fruͤh „verurtheilt hat?“
Teufel.mit ernſtem und feyerli- chem Tone: Fauſt, dieſes iſt dein Werk!
Fauſt. Mein Werk?
Teufel. Dein Werk! Sieh ihn genau an — es iſt dein aͤlteſter Sohn!
Fauſt blickte hinauf, erkannte ihn, und ſank vom Pferde.
Teufel. Schon jezt vernichtet? So wirſt du mich bald um die Fruͤchte meiner Muͤhe bringen, die ich nur in deinem Jammer erndten kann. Winſle und ſtoͤhne, die Stunde naht, worin ich dir den dicken
Schleier
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durch ſeine blonde, uͤber ſein Geſicht
gefallene Haare blies, und ihn hin und
her ſchaukelte, entdeckte Fauſten ſeine ju-
gendliche Bildung. Er brach bey die-
ſem Anblick in Thraͤnen aus, und rief mit
bebender Stimme:
„Armer Juͤngling, in der erſten Bluͤthe
„des Lebens ſchon hier, am verfluchten Hol-
„ze? Was kannſt du verbrochen haben,
„daß dich das Gericht der Menſchen ſo fruͤh
„verurtheilt hat?“
Teufel. mit ernſtem und feyerli-
chem Tone: Fauſt, dieſes iſt dein Werk!
Fauſt. Mein Werk?
Teufel. Dein Werk! Sieh ihn genau
an — es iſt dein aͤlteſter Sohn!
Fauſt blickte hinauf, erkannte ihn, und
ſank vom Pferde.
Teufel. Schon jezt vernichtet? So wirſt
du mich bald um die Fruͤchte meiner Muͤhe
bringen, die ich nur in deinem Jammer
erndten kann. Winſle und ſtoͤhne, die
Stunde naht, worin ich dir den dicken
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/381>, abgerufen am 22.11.2024.
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