"die lechzend nach dem Becher griffen, ih- "ren glühenden Durst zu stillen?"
So trieb er sich lange auf dem Meere der Zweifel herum, als ihm durch die Er- scheinung seines Vaters, seine seit so lan- ger Zeit vergeßne Familie einfiel. Er faßte den Entschluß zu den Verlaßnen zurückzu- kehren, in die bürgerliche Ordnung wiede- rum einzutreten, sein Gewerbe zu treiben, und sich von der lästigen Gesellschaft des Teufels zu befreyen. So machte er sich nun auf den Weg zu seiner Heimath, wie viele, die unbestimmtes jugendliches Brau- sen für Genie halten, mit großen Ansprü- chen in die Welt treten, das wenige Feuer ihrer Seele schnell verdampfen, und mit den schaalen Ueberbleibseln sich nach kurzem auf eben dem Punkte befinden, von dem sie aus- gelaufen, sich und der Welt zur Last. Faust kochte dieses alles im Stillen aus, er ritt stumm, düster und mürrisch an der Seite des Teufels. Dieser überließ ihn gerne sei- nen Betrachtungen, lach[t]e seines Entschlus-
ses,
„die lechzend nach dem Becher griffen, ih- „ren gluͤhenden Durſt zu ſtillen?“
So trieb er ſich lange auf dem Meere der Zweifel herum, als ihm durch die Er- ſcheinung ſeines Vaters, ſeine ſeit ſo lan- ger Zeit vergeßne Familie einfiel. Er faßte den Entſchluß zu den Verlaßnen zuruͤckzu- kehren, in die buͤrgerliche Ordnung wiede- rum einzutreten, ſein Gewerbe zu treiben, und ſich von der laͤſtigen Geſellſchaft des Teufels zu befreyen. So machte er ſich nun auf den Weg zu ſeiner Heimath, wie viele, die unbeſtimmtes jugendliches Brau- ſen fuͤr Genie halten, mit großen Anſpruͤ- chen in die Welt treten, das wenige Feuer ihrer Seele ſchnell verdampfen, und mit den ſchaalen Ueberbleibſeln ſich nach kurzem auf eben dem Punkte befinden, von dem ſie aus- gelaufen, ſich und der Welt zur Laſt. Fauſt kochte dieſes alles im Stillen aus, er ritt ſtumm, duͤſter und muͤrriſch an der Seite des Teufels. Dieſer uͤberließ ihn gerne ſei- nen Betrachtungen, lach[t]e ſeines Entſchluſ-
ſes,
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„die lechzend nach dem Becher griffen, ih-
„ren gluͤhenden Durſt zu ſtillen?“
So trieb er ſich lange auf dem Meere
der Zweifel herum, als ihm durch die Er-
ſcheinung ſeines Vaters, ſeine ſeit ſo lan-
ger Zeit vergeßne Familie einfiel. Er faßte
den Entſchluß zu den Verlaßnen zuruͤckzu-
kehren, in die buͤrgerliche Ordnung wiede-
rum einzutreten, ſein Gewerbe zu treiben,
und ſich von der laͤſtigen Geſellſchaft des
Teufels zu befreyen. So machte er ſich
nun auf den Weg zu ſeiner Heimath, wie
viele, die unbeſtimmtes jugendliches Brau-
ſen fuͤr Genie halten, mit großen Anſpruͤ-
chen in die Welt treten, das wenige Feuer
ihrer Seele ſchnell verdampfen, und mit den
ſchaalen Ueberbleibſeln ſich nach kurzem auf
eben dem Punkte befinden, von dem ſie aus-
gelaufen, ſich und der Welt zur Laſt. Fauſt
kochte dieſes alles im Stillen aus, er ritt
ſtumm, duͤſter und muͤrriſch an der Seite
des Teufels. Dieſer uͤberließ ihn gerne ſei-
nen Betrachtungen, lachte ſeines Entſchluſ-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/379>, abgerufen am 25.11.2024.
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