Wenn sich Faust den Tag über am Ho- fe und in der Stadt in allen Lüsten herum- gewälzt hatte, so pflegte er gewöhnlich dem Teufel Abends die Ohren über die Laster der Menschen zu ermüden. Ihr Anblick em- pörte ihn, ob er gleich weder Kraft noch Willen hatte, einer seiner Neigungen zu wi- derstehen. Gewöhnlich endigte er mit dem Ausruf: "wie ist es möglich, daß ein sol- "ches Ungeheuer Papst werden konnte."
Der Teufel, der genau wußte, wie es bey seiner Wahl zugegangen, (denn einer der Fürsten der Hölle war damals im Conclave) erzählte ihm:
"Wie Alexander als Vicekanzler des "päpstlichen Stuhls, die Stimmen der Kar- "dinäle gekauft, und wie er diese, nachdem "er seinen Zweck erhalten, und sie ihn an die "Erfüllung seines Versprechens erinnert, "theils verjagt, theils unter verschiednem "Vorwand auf die grausamste Art habe hin- "richten lassen."
Faust.
Wenn ſich Fauſt den Tag uͤber am Ho- fe und in der Stadt in allen Luͤſten herum- gewaͤlzt hatte, ſo pflegte er gewoͤhnlich dem Teufel Abends die Ohren uͤber die Laſter der Menſchen zu ermuͤden. Ihr Anblick em- poͤrte ihn, ob er gleich weder Kraft noch Willen hatte, einer ſeiner Neigungen zu wi- derſtehen. Gewoͤhnlich endigte er mit dem Ausruf: „wie iſt es moͤglich, daß ein ſol- „ches Ungeheuer Papſt werden konnte.“
Der Teufel, der genau wußte, wie es bey ſeiner Wahl zugegangen, (denn einer der Fuͤrſten der Hoͤlle war damals im Conclave) erzaͤhlte ihm:
„Wie Alexander als Vicekanzler des „paͤpſtlichen Stuhls, die Stimmen der Kar- „dinaͤle gekauft, und wie er dieſe, nachdem „er ſeinen Zweck erhalten, und ſie ihn an die „Erfuͤllung ſeines Verſprechens erinnert, „theils verjagt, theils unter verſchiednem „Vorwand auf die grauſamſte Art habe hin- „richten laſſen.“
Fauſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0319"n="308"/><p>Wenn ſich Fauſt den Tag uͤber am Ho-<lb/>
fe und in der Stadt in allen Luͤſten herum-<lb/>
gewaͤlzt hatte, ſo pflegte er gewoͤhnlich dem<lb/>
Teufel Abends die Ohren uͤber die Laſter<lb/>
der Menſchen zu ermuͤden. Ihr Anblick em-<lb/>
poͤrte ihn, ob er gleich weder Kraft noch<lb/>
Willen hatte, einer ſeiner Neigungen zu wi-<lb/>
derſtehen. Gewoͤhnlich endigte er mit dem<lb/>
Ausruf: „wie iſt es moͤglich, daß ein ſol-<lb/>„ches Ungeheuer Papſt werden konnte.“</p><lb/><p>Der Teufel, der genau wußte, wie es<lb/>
bey ſeiner Wahl zugegangen, (denn einer der<lb/>
Fuͤrſten der Hoͤlle war damals im Conclave)<lb/>
erzaͤhlte ihm:</p><lb/><p>„Wie Alexander als Vicekanzler des<lb/>„paͤpſtlichen Stuhls, die Stimmen der Kar-<lb/>„dinaͤle gekauft, und wie er dieſe, nachdem<lb/>„er ſeinen Zweck erhalten, und ſie ihn an die<lb/>„Erfuͤllung ſeines Verſprechens erinnert,<lb/>„theils verjagt, theils unter verſchiednem<lb/>„Vorwand auf die grauſamſte Art habe hin-<lb/>„richten laſſen.“</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Fauſt</hi>.</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[308/0319]
Wenn ſich Fauſt den Tag uͤber am Ho-
fe und in der Stadt in allen Luͤſten herum-
gewaͤlzt hatte, ſo pflegte er gewoͤhnlich dem
Teufel Abends die Ohren uͤber die Laſter
der Menſchen zu ermuͤden. Ihr Anblick em-
poͤrte ihn, ob er gleich weder Kraft noch
Willen hatte, einer ſeiner Neigungen zu wi-
derſtehen. Gewoͤhnlich endigte er mit dem
Ausruf: „wie iſt es moͤglich, daß ein ſol-
„ches Ungeheuer Papſt werden konnte.“
Der Teufel, der genau wußte, wie es
bey ſeiner Wahl zugegangen, (denn einer der
Fuͤrſten der Hoͤlle war damals im Conclave)
erzaͤhlte ihm:
„Wie Alexander als Vicekanzler des
„paͤpſtlichen Stuhls, die Stimmen der Kar-
„dinaͤle gekauft, und wie er dieſe, nachdem
„er ſeinen Zweck erhalten, und ſie ihn an die
„Erfuͤllung ſeines Verſprechens erinnert,
„theils verjagt, theils unter verſchiednem
„Vorwand auf die grauſamſte Art habe hin-
„richten laſſen.“
Fauſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/319>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.