Teufel den Händen des Henkers entführen zu lassen, aber sein nun finstres Herz hohn- te des Entschlusses, er sah nochmals gen Himmel, und sagte in seinem Inneren: "Ist mir doch die Sorge für ihn nicht an- "vertraut; vermuthlich gehört es zu deiner "Ordnung auf Erden, daß dieser blute, da- "mit der König muthiger in Verbrechen "werde!" Der Herzog kniete nieder, e[r] hörte das Winseln und Klagen der Söhne unter dem Gerüste hervor, das ihn in das andre Leben begleiten sollte; sein eigner schmählicher Tod verschwand vor seinen Au- gen, er fühlte zum leztenmal, und fühlte nur für die Unglücklichen -- starre Thrä- nen hiengen an seinen Augen -- seine Lip- pen zitterten -- Der Henker führte den Streich, und das warme Blut des Vaters rann über die bebenden Söhne hin. So befleckt, führte man sie auf die Bühne zu- rück, zeigte ihnen den Leichnam, das davon getrennte Haupt des Vaters, trieb sie in das Gefängniß zurück, wo sie in Körbe ge-
fesselt
Teufel den Haͤnden des Henkers entfuͤhren zu laſſen, aber ſein nun finſtres Herz hohn- te des Entſchluſſes, er ſah nochmals gen Himmel, und ſagte in ſeinem Inneren: „Iſt mir doch die Sorge fuͤr ihn nicht an- „vertraut; vermuthlich gehoͤrt es zu deiner „Ordnung auf Erden, daß dieſer blute, da- „mit der Koͤnig muthiger in Verbrechen „werde!“ Der Herzog kniete nieder, e[r] hoͤrte das Winſeln und Klagen der Soͤhne unter dem Geruͤſte hervor, das ihn in das andre Leben begleiten ſollte; ſein eigner ſchmaͤhlicher Tod verſchwand vor ſeinen Au- gen, er fuͤhlte zum leztenmal, und fuͤhlte nur fuͤr die Ungluͤcklichen — ſtarre Thraͤ- nen hiengen an ſeinen Augen — ſeine Lip- pen zitterten — Der Henker fuͤhrte den Streich, und das warme Blut des Vaters rann uͤber die bebenden Soͤhne hin. So befleckt, fuͤhrte man ſie auf die Buͤhne zu- ruͤck, zeigte ihnen den Leichnam, das davon getrennte Haupt des Vaters, trieb ſie in das Gefaͤngniß zuruͤck, wo ſie in Koͤrbe ge-
feſſelt
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Teufel den Haͤnden des Henkers entfuͤhren
zu laſſen, aber ſein nun finſtres Herz hohn-
te des Entſchluſſes, er ſah nochmals gen
Himmel, und ſagte in ſeinem Inneren:
„Iſt mir doch die Sorge fuͤr ihn nicht an-
„vertraut; vermuthlich gehoͤrt es zu deiner
„Ordnung auf Erden, daß dieſer blute, da-
„mit der Koͤnig muthiger in Verbrechen
„werde!“ Der Herzog kniete nieder, er
hoͤrte das Winſeln und Klagen der Soͤhne
unter dem Geruͤſte hervor, das ihn in das
andre Leben begleiten ſollte; ſein eigner
ſchmaͤhlicher Tod verſchwand vor ſeinen Au-
gen, er fuͤhlte zum leztenmal, und fuͤhlte
nur fuͤr die Ungluͤcklichen — ſtarre Thraͤ-
nen hiengen an ſeinen Augen — ſeine Lip-
pen zitterten — Der Henker fuͤhrte den
Streich, und das warme Blut des Vaters
rann uͤber die bebenden Soͤhne hin. So
befleckt, fuͤhrte man ſie auf die Buͤhne zu-
ruͤck, zeigte ihnen den Leichnam, das davon
getrennte Haupt des Vaters, trieb ſie in
das Gefaͤngniß zuruͤck, wo ſie in Koͤrbe ge-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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