die Strahlen der Sonne fallen senkr[e]cht auf sein nacktes Haupt. Schon rollt der Fluch gegen den Ewigen in seinem entflammten Gehirne, seine dürre Zunge vermag nicht ihn auszusprechen, er arbeitet in dem heis- sen Sande wie ein Maulwurf, um die feuch- te Erde zu lecken, und öffnet sich nur ein Grab. Ist deine Rache befriedigt?
Faust. Rache? Warum nennst du Aus- übung der Gerechtigkeit Rache? Sieh, kal- ter Schauder überlief meine Haut bey dei- nen Worten; aber ich sah ihn kalt lächeln, da ich ihm die Marter des Edlen und der Verführten schilderte.
Teufel. Die Zeit, die nur langsam den Schleier hebt, mag es entwickeln. Der Bauer, Faust, säet den Hanf, arbeitet ihn zum Stricke, ohne zu ahnden, daß sein stren- ger Herr ihn einst damit wird geisseln lassen, wenn er die Gebühren und Frohndienste nicht abträgt. Was wird aus dir werden, wenn du den Menschen in größerm Wir- kungskreiße sehen wirst? Wir haben dem
Unge-
die Strahlen der Sonne fallen ſenkr[e]cht auf ſein nacktes Haupt. Schon rollt der Fluch gegen den Ewigen in ſeinem entflammten Gehirne, ſeine duͤrre Zunge vermag nicht ihn auszuſprechen, er arbeitet in dem heiſ- ſen Sande wie ein Maulwurf, um die feuch- te Erde zu lecken, und oͤffnet ſich nur ein Grab. Iſt deine Rache befriedigt?
Fauſt. Rache? Warum nennſt du Aus- uͤbung der Gerechtigkeit Rache? Sieh, kal- ter Schauder uͤberlief meine Haut bey dei- nen Worten; aber ich ſah ihn kalt laͤcheln, da ich ihm die Marter des Edlen und der Verfuͤhrten ſchilderte.
Teufel. Die Zeit, die nur langſam den Schleier hebt, mag es entwickeln. Der Bauer, Fauſt, ſaͤet den Hanf, arbeitet ihn zum Stricke, ohne zu ahnden, daß ſein ſtren- ger Herr ihn einſt damit wird geiſſeln laſſen, wenn er die Gebuͤhren und Frohndienſte nicht abtraͤgt. Was wird aus dir werden, wenn du den Menſchen in groͤßerm Wir- kungskreiße ſehen wirſt? Wir haben dem
Unge-
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die Strahlen der Sonne fallen ſenkrecht auf
ſein nacktes Haupt. Schon rollt der Fluch
gegen den Ewigen in ſeinem entflammten
Gehirne, ſeine duͤrre Zunge vermag nicht
ihn auszuſprechen, er arbeitet in dem heiſ-
ſen Sande wie ein Maulwurf, um die feuch-
te Erde zu lecken, und oͤffnet ſich nur ein
Grab. Iſt deine Rache befriedigt?
Fauſt. Rache? Warum nennſt du Aus-
uͤbung der Gerechtigkeit Rache? Sieh, kal-
ter Schauder uͤberlief meine Haut bey dei-
nen Worten; aber ich ſah ihn kalt laͤcheln,
da ich ihm die Marter des Edlen und der
Verfuͤhrten ſchilderte.
Teufel. Die Zeit, die nur langſam den
Schleier hebt, mag es entwickeln. Der
Bauer, Fauſt, ſaͤet den Hanf, arbeitet ihn
zum Stricke, ohne zu ahnden, daß ſein ſtren-
ger Herr ihn einſt damit wird geiſſeln laſſen,
wenn er die Gebuͤhren und Frohndienſte
nicht abtraͤgt. Was wird aus dir werden,
wenn du den Menſchen in groͤßerm Wir-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/217>, abgerufen am 25.11.2024.
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