nes Herzens auszusetzen. Er trat vor den Fürsten, der mit dem Grafen allein war, und kündigte ihm sein Unglück an, betheuerte seine Unschuld, und unterwarf sich seinem Schick- sal. Der Graf ließ die erste Empfindung bey dem Fürsten würken, trat dann kalt näher, zog das Dokument aus der Tasche, übergab es dem Fürsten mit einer tiefen Verbeugung, ließ darauf hart in sich drin- gen, wie er dazu gekommen, ließ sich sogar mit Ungnade bedrohen, und gestund end- lich mit dem äußersten Widerwillen den Vor- gang der Sache, nach seinem entworfnen Plane. Der Minister verstummte, der spre- chende Beweis von Schuld verwirrte ihn so, daß selbst das Gefühl seiner Unschuld nicht durch die Finsterniß dringen konnte, die die- se unerwartete Wendung vor seine Sinne zog. Der Fürst sah ihn wüthend an, und sagte: "Lange konnt ich von Euch erwar- "ten, daß Ihr endlich die Thorheit Eurer "Aufführung durch Verrätherey an mir, hei- "len würdet." Dieser Vorwurf zog die De-
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nes Herzens auszuſetzen. Er trat vor den Fuͤrſten, der mit dem Grafen allein war, und kuͤndigte ihm ſein Ungluͤck an, betheuerte ſeine Unſchuld, und unterwarf ſich ſeinem Schick- ſal. Der Graf ließ die erſte Empfindung bey dem Fuͤrſten wuͤrken, trat dann kalt naͤher, zog das Dokument aus der Taſche, uͤbergab es dem Fuͤrſten mit einer tiefen Verbeugung, ließ darauf hart in ſich drin- gen, wie er dazu gekommen, ließ ſich ſogar mit Ungnade bedrohen, und geſtund end- lich mit dem aͤußerſten Widerwillen den Vor- gang der Sache, nach ſeinem entworfnen Plane. Der Miniſter verſtummte, der ſpre- chende Beweis von Schuld verwirrte ihn ſo, daß ſelbſt das Gefuͤhl ſeiner Unſchuld nicht durch die Finſterniß dringen konnte, die die- ſe unerwartete Wendung vor ſeine Sinne zog. Der Fuͤrſt ſah ihn wuͤthend an, und ſagte: „Lange konnt ich von Euch erwar- „ten, daß Ihr endlich die Thorheit Eurer „Auffuͤhrung durch Verraͤtherey an mir, hei- „len wuͤrdet.“ Dieſer Vorwurf zog die De-
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nes Herzens auszuſetzen. Er trat vor den
Fuͤrſten, der mit dem Grafen allein war, und
kuͤndigte ihm ſein Ungluͤck an, betheuerte ſeine
Unſchuld, und unterwarf ſich ſeinem Schick-
ſal. Der Graf ließ die erſte Empfindung
bey dem Fuͤrſten wuͤrken, trat dann kalt
naͤher, zog das Dokument aus der Taſche,
uͤbergab es dem Fuͤrſten mit einer tiefen
Verbeugung, ließ darauf hart in ſich drin-
gen, wie er dazu gekommen, ließ ſich ſogar
mit Ungnade bedrohen, und geſtund end-
lich mit dem aͤußerſten Widerwillen den Vor-
gang der Sache, nach ſeinem entworfnen
Plane. Der Miniſter verſtummte, der ſpre-
chende Beweis von Schuld verwirrte ihn ſo,
daß ſelbſt das Gefuͤhl ſeiner Unſchuld nicht
durch die Finſterniß dringen konnte, die die-
ſe unerwartete Wendung vor ſeine Sinne
zog. Der Fuͤrſt ſah ihn wuͤthend an, und
ſagte: „Lange konnt ich von Euch erwar-
„ten, daß Ihr endlich die Thorheit Eurer
„Auffuͤhrung durch Verraͤtherey an mir, hei-
„len wuͤrdet.“ Dieſer Vorwurf zog die De-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/200>, abgerufen am 24.11.2024.
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