Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

"von mir hören. Ich sterbe ohne Klage,
"und bedaure nichts, als daß ich die Kette
"nicht zerbrechen kann, woran das Men-
"schengeschlecht gefesselt ist. Könnt ihr hel-
"fen, gut; doch wißt, aus meines Feindes
"Hand ist mir der Tod willkommner, als
"Gnade. Laßt mich nun ruhig, kehrt in
"die Sklaverey zurück, ich schwinge mich
"zur Freyheit auf!"

Faust war ganz durchdrungen von der
Größe des Doktors, und machte sich schnell
auf den Weg, diesen Minister zu sprechen,
ihm seine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und
ihn zu beschämen. Der Teufel, der tiefer
sah, merkte wohl, daß der Freiheitssinn des
Doktors aus einem ganz andern Gefühl ent-
standen war. Der Minister ließ sie gleich
vor. Faust sprach warm, kühn und frey
über die Lage und Denkart des Doktors.
Stellte ihm vor, "wie nachtheilig es seinem
"Ruhme sey, einen Mann, den er einst sei-
"nen Freund genannt, dem Despotismus zu
"opfern." Gab ihm zu verstehen, "daß je-

"dermann

„von mir hoͤren. Ich ſterbe ohne Klage,
„und bedaure nichts, als daß ich die Kette
„nicht zerbrechen kann, woran das Men-
„ſchengeſchlecht gefeſſelt iſt. Koͤnnt ihr hel-
„fen, gut; doch wißt, aus meines Feindes
„Hand iſt mir der Tod willkommner, als
„Gnade. Laßt mich nun ruhig, kehrt in
„die Sklaverey zuruͤck, ich ſchwinge mich
„zur Freyheit auf!“

Fauſt war ganz durchdrungen von der
Groͤße des Doktors, und machte ſich ſchnell
auf den Weg, dieſen Miniſter zu ſprechen,
ihm ſeine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und
ihn zu beſchaͤmen. Der Teufel, der tiefer
ſah, merkte wohl, daß der Freiheitsſinn des
Doktors aus einem ganz andern Gefuͤhl ent-
ſtanden war. Der Miniſter ließ ſie gleich
vor. Fauſt ſprach warm, kuͤhn und frey
uͤber die Lage und Denkart des Doktors.
Stellte ihm vor, „wie nachtheilig es ſeinem
„Ruhme ſey, einen Mann, den er einſt ſei-
„nen Freund genannt, dem Deſpotiſmus zu
„opfern.“ Gab ihm zu verſtehen, „daß je-

„dermann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="171"/>
&#x201E;von mir ho&#x0364;ren. Ich &#x017F;terbe ohne Klage,<lb/>
&#x201E;und bedaure nichts, als daß ich die Kette<lb/>
&#x201E;nicht zerbrechen kann, woran das Men-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chenge&#x017F;chlecht gefe&#x017F;&#x017F;elt i&#x017F;t. Ko&#x0364;nnt ihr hel-<lb/>
&#x201E;fen, gut; doch wißt, aus meines Feindes<lb/>
&#x201E;Hand i&#x017F;t mir der Tod willkommner, als<lb/>
&#x201E;Gnade. Laßt mich nun ruhig, kehrt in<lb/>
&#x201E;die Sklaverey zuru&#x0364;ck, ich &#x017F;chwinge mich<lb/>
&#x201E;zur Freyheit auf!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Fau&#x017F;t war ganz durchdrungen von der<lb/>
Gro&#x0364;ße des Doktors, und machte &#x017F;ich &#x017F;chnell<lb/>
auf den Weg, die&#x017F;en Mini&#x017F;ter zu &#x017F;prechen,<lb/>
ihm &#x017F;eine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und<lb/>
ihn zu be&#x017F;cha&#x0364;men. Der Teufel, der tiefer<lb/>
&#x017F;ah, merkte wohl, daß der Freiheits&#x017F;inn des<lb/>
Doktors aus einem ganz andern Gefu&#x0364;hl ent-<lb/>
&#x017F;tanden war. Der Mini&#x017F;ter ließ &#x017F;ie gleich<lb/>
vor. Fau&#x017F;t &#x017F;prach warm, ku&#x0364;hn und frey<lb/>
u&#x0364;ber die Lage und Denkart des Doktors.<lb/>
Stellte ihm vor, &#x201E;wie nachtheilig es &#x017F;einem<lb/>
&#x201E;Ruhme &#x017F;ey, einen Mann, den er ein&#x017F;t &#x017F;ei-<lb/>
&#x201E;nen Freund genannt, dem De&#x017F;poti&#x017F;mus zu<lb/>
&#x201E;opfern.&#x201C; Gab ihm zu ver&#x017F;tehen, &#x201E;daß je-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;dermann</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0182] „von mir hoͤren. Ich ſterbe ohne Klage, „und bedaure nichts, als daß ich die Kette „nicht zerbrechen kann, woran das Men- „ſchengeſchlecht gefeſſelt iſt. Koͤnnt ihr hel- „fen, gut; doch wißt, aus meines Feindes „Hand iſt mir der Tod willkommner, als „Gnade. Laßt mich nun ruhig, kehrt in „die Sklaverey zuruͤck, ich ſchwinge mich „zur Freyheit auf!“ Fauſt war ganz durchdrungen von der Groͤße des Doktors, und machte ſich ſchnell auf den Weg, dieſen Miniſter zu ſprechen, ihm ſeine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und ihn zu beſchaͤmen. Der Teufel, der tiefer ſah, merkte wohl, daß der Freiheitsſinn des Doktors aus einem ganz andern Gefuͤhl ent- ſtanden war. Der Miniſter ließ ſie gleich vor. Fauſt ſprach warm, kuͤhn und frey uͤber die Lage und Denkart des Doktors. Stellte ihm vor, „wie nachtheilig es ſeinem „Ruhme ſey, einen Mann, den er einſt ſei- „nen Freund genannt, dem Deſpotiſmus zu „opfern.“ Gab ihm zu verſtehen, „daß je- „dermann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/182
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/182>, abgerufen am 24.11.2024.