Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

ter andern, als er es gar zu arg macht, är-
gerlich
an, wie albern es sei, wenn es ei-
ner Marionette einfiele über sich selbst zu re-
flektiren, da sie doch blos der Laune des Di-
rektors gemäß, sich betragen müsse, der sie
wieder in den Kasten lege, wenn es ihm ge-
fiele. Dann sagt er auch manches Gute über
die Freiheit des Willens und über den Wahn-
sinn in einem Marionettengehirne, den er
ganz realistisch und vernünftig abhandelt; alles
das um der Puppe zu beweisen, wie toll es
eigentlich von ihr sei dergleichen Dinge sehr
hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf
ein Possenspiel hinausliefe, und der Hanswurst
im Grunde die einzige vernünftige Rolle in der
ganzen Farce abgäbe, eben weil er die Farce
nicht höher nähme als eine Farce."

Hier hielt der Mann einen Augenblick inne,
und sagte dann in recht lustig wilder Laune:
"Da hast du das ganze Fastnachtsspiel, worin
ich selbst den Bruder mit dem Herzen darge-

ter andern, als er es gar zu arg macht, aͤr-
gerlich
an, wie albern es ſei, wenn es ei-
ner Marionette einfiele uͤber ſich ſelbſt zu re-
flektiren, da ſie doch blos der Laune des Di-
rektors gemaͤß, ſich betragen muͤſſe, der ſie
wieder in den Kaſten lege, wenn es ihm ge-
fiele. Dann ſagt er auch manches Gute uͤber
die Freiheit des Willens und uͤber den Wahn-
ſinn in einem Marionettengehirne, den er
ganz realiſtiſch und vernuͤnftig abhandelt; alles
das um der Puppe zu beweiſen, wie toll es
eigentlich von ihr ſei dergleichen Dinge ſehr
hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf
ein Poſſenſpiel hinausliefe, und der Hanswurſt
im Grunde die einzige vernuͤnftige Rolle in der
ganzen Farçe abgaͤbe, eben weil er die Farçe
nicht hoͤher naͤhme als eine Farçe.“

Hier hielt der Mann einen Augenblick inne,
und ſagte dann in recht luſtig wilder Laune:
„Da haſt du das ganze Faſtnachtsſpiel, worin
ich ſelbſt den Bruder mit dem Herzen darge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="72"/>
ter andern, als er es gar zu arg macht, <choice><sic>a&#x0364;r<lb/>
gerlich</sic><corr>a&#x0364;r-<lb/>
gerlich</corr></choice> an, wie albern es &#x017F;ei, wenn es ei-<lb/>
ner Marionette einfiele u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu re-<lb/>
flektiren, da &#x017F;ie doch blos der Laune des Di-<lb/>
rektors gema&#x0364;ß, &#x017F;ich betragen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, der &#x017F;ie<lb/>
wieder in den Ka&#x017F;ten lege, wenn es ihm ge-<lb/>
fiele. Dann &#x017F;agt er auch manches Gute u&#x0364;ber<lb/>
die Freiheit des Willens und u&#x0364;ber den Wahn-<lb/>
&#x017F;inn in einem Marionettengehirne, den er<lb/>
ganz reali&#x017F;ti&#x017F;ch und vernu&#x0364;nftig abhandelt; alles<lb/>
das um der Puppe zu bewei&#x017F;en, wie toll es<lb/>
eigentlich von ihr &#x017F;ei dergleichen Dinge &#x017F;ehr<lb/>
hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf<lb/>
ein Po&#x017F;&#x017F;en&#x017F;piel hinausliefe, und der Hanswur&#x017F;t<lb/>
im Grunde die einzige vernu&#x0364;nftige Rolle in der<lb/>
ganzen Farçe abga&#x0364;be, eben weil er die Farçe<lb/>
nicht ho&#x0364;her na&#x0364;hme als eine Farçe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Hier hielt der Mann einen Augenblick inne,<lb/>
und &#x017F;agte dann in recht lu&#x017F;tig wilder Laune:<lb/>
&#x201E;Da ha&#x017F;t du das ganze Fa&#x017F;tnachts&#x017F;piel, worin<lb/>
ich &#x017F;elb&#x017F;t den Bruder mit dem Herzen darge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0074] ter andern, als er es gar zu arg macht, aͤr- gerlich an, wie albern es ſei, wenn es ei- ner Marionette einfiele uͤber ſich ſelbſt zu re- flektiren, da ſie doch blos der Laune des Di- rektors gemaͤß, ſich betragen muͤſſe, der ſie wieder in den Kaſten lege, wenn es ihm ge- fiele. Dann ſagt er auch manches Gute uͤber die Freiheit des Willens und uͤber den Wahn- ſinn in einem Marionettengehirne, den er ganz realiſtiſch und vernuͤnftig abhandelt; alles das um der Puppe zu beweiſen, wie toll es eigentlich von ihr ſei dergleichen Dinge ſehr hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf ein Poſſenſpiel hinausliefe, und der Hanswurſt im Grunde die einzige vernuͤnftige Rolle in der ganzen Farçe abgaͤbe, eben weil er die Farçe nicht hoͤher naͤhme als eine Farçe.“ Hier hielt der Mann einen Augenblick inne, und ſagte dann in recht luſtig wilder Laune: „Da haſt du das ganze Faſtnachtsſpiel, worin ich ſelbſt den Bruder mit dem Herzen darge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/74
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/74>, abgerufen am 25.11.2024.