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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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gehobene Arm erstarrt, und er kniete wie ein
steinernes Denkbild auf dem Grabsteine. Zwi-
schen der Dolchspitze und der Brust, die sie
durchschneiden sollte, war kaum noch einer
Spanne weit Raum, und der Tod stand ganz
dicht an dem Leben, doch schien die Zeit auf-
gehört zu haben und nicht mehr fortrücken zu
wollen und der eine Moment zur Ewigkeit ge-
worden zu sein, die auf immer alle Verände-
rung aufgehoben.

Mir wurde es ganz unheimlich, ich sah er-
schrocken hinauf nach dem Zifferblatte der Kir-
chenuhr, auch hier stand der Zeiger still und
grade auf der Mitternachtszahl. Ich schien
mir gelähmt und rings um war alles unbeweg-
lich und todt; der Mann auf dem Grabe,
der Dohm mit seinen starren hohen Säulen
und Monumenten und den umher knieenden
steinernen Rittern und Heiligen, die unbeweg-
lich auf eine neue hereinbrechende Zeit und
ein Fortschreiten in derselben, wodurch sie
entfesselt würden, zu harren schienen.


gehobene Arm erſtarrt, und er kniete wie ein
ſteinernes Denkbild auf dem Grabſteine. Zwi-
ſchen der Dolchſpitze und der Bruſt, die ſie
durchſchneiden ſollte, war kaum noch einer
Spanne weit Raum, und der Tod ſtand ganz
dicht an dem Leben, doch ſchien die Zeit auf-
gehoͤrt zu haben und nicht mehr fortruͤcken zu
wollen und der eine Moment zur Ewigkeit ge-
worden zu ſein, die auf immer alle Veraͤnde-
rung aufgehoben.

Mir wurde es ganz unheimlich, ich ſah er-
ſchrocken hinauf nach dem Zifferblatte der Kir-
chenuhr, auch hier ſtand der Zeiger ſtill und
grade auf der Mitternachtszahl. Ich ſchien
mir gelaͤhmt und rings um war alles unbeweg-
lich und todt; der Mann auf dem Grabe,
der Dohm mit ſeinen ſtarren hohen Saͤulen
und Monumenten und den umher knieenden
ſteinernen Rittern und Heiligen, die unbeweg-
lich auf eine neue hereinbrechende Zeit und
ein Fortſchreiten in derſelben, wodurch ſie
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[56/0058] gehobene Arm erſtarrt, und er kniete wie ein ſteinernes Denkbild auf dem Grabſteine. Zwi- ſchen der Dolchſpitze und der Bruſt, die ſie durchſchneiden ſollte, war kaum noch einer Spanne weit Raum, und der Tod ſtand ganz dicht an dem Leben, doch ſchien die Zeit auf- gehoͤrt zu haben und nicht mehr fortruͤcken zu wollen und der eine Moment zur Ewigkeit ge- worden zu ſein, die auf immer alle Veraͤnde- rung aufgehoben. Mir wurde es ganz unheimlich, ich ſah er- ſchrocken hinauf nach dem Zifferblatte der Kir- chenuhr, auch hier ſtand der Zeiger ſtill und grade auf der Mitternachtszahl. Ich ſchien mir gelaͤhmt und rings um war alles unbeweg- lich und todt; der Mann auf dem Grabe, der Dohm mit ſeinen ſtarren hohen Saͤulen und Monumenten und den umher knieenden ſteinernen Rittern und Heiligen, die unbeweg- lich auf eine neue hereinbrechende Zeit und ein Fortſchreiten in derſelben, wodurch ſie entfeſſelt wuͤrden, zu harren ſchienen.

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/58>, abgerufen am 24.11.2024.