Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.Hier harrt ein Poet der Auferstehung entge- Jetzt waren wir zur Stelle, und er bat Indeß hatte die Wahrsagerin das Grab des Hier harrt ein Poet der Auferſtehung entge- Jetzt waren wir zur Stelle, und er bat Indeß hatte die Wahrſagerin das Grab des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0289" n="287"/> Hier harrt ein Poet der Auferſtehung entge-<lb/> gen, aber von ihm ſelbſt iſt nur wenig noch<lb/> dazu vorhanden, denn ich ſehe bloß leichten<lb/> Duft, und muß die Phantaſie anſtrengen, et-<lb/> was Geſcheutes hineinzufinden. — Da erblicke<lb/> ich eine Mutter mit dem Kinde an der Bruſt,<lb/> und beide laͤcheln! — (Es erſchuͤtterte mich,<lb/> denn es war grade das Grab der Ophelia!)<lb/> — Hier liegen ein Finanzier und ein Politi-<lb/> ker beiſammen, aber an beiden iſt ſchon vieles<lb/> defekt. — Jenes ſoll das Grab eines beruͤhm-<lb/> ten Geizhalſes ſein, er haͤlt noch mit der ſchon<lb/> verſchwindenden Hand den Zipfel ſeines Lei-<lb/> chentuches feſt!“ —</p><lb/> <p>Jetzt waren wir zur Stelle, und er bat<lb/> mich ihn zu verlaſſen; aus der Ferne ſah ich<lb/> nur noch wie er die Luft umarmte und heiße<lb/> Kuͤſſe ausſtroͤmte — es war eine recht ſelt-<lb/> ſame Schaͤferſtunde! — —</p><lb/> <p>Indeß hatte die Wahrſagerin das Grab des<lb/> Vaters geſprengt, und der morſche Sarg hob<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [287/0289]
Hier harrt ein Poet der Auferſtehung entge-
gen, aber von ihm ſelbſt iſt nur wenig noch
dazu vorhanden, denn ich ſehe bloß leichten
Duft, und muß die Phantaſie anſtrengen, et-
was Geſcheutes hineinzufinden. — Da erblicke
ich eine Mutter mit dem Kinde an der Bruſt,
und beide laͤcheln! — (Es erſchuͤtterte mich,
denn es war grade das Grab der Ophelia!)
— Hier liegen ein Finanzier und ein Politi-
ker beiſammen, aber an beiden iſt ſchon vieles
defekt. — Jenes ſoll das Grab eines beruͤhm-
ten Geizhalſes ſein, er haͤlt noch mit der ſchon
verſchwindenden Hand den Zipfel ſeines Lei-
chentuches feſt!“ —
Jetzt waren wir zur Stelle, und er bat
mich ihn zu verlaſſen; aus der Ferne ſah ich
nur noch wie er die Luft umarmte und heiße
Kuͤſſe ausſtroͤmte — es war eine recht ſelt-
ſame Schaͤferſtunde! — —
Indeß hatte die Wahrſagerin das Grab des
Vaters geſprengt, und der morſche Sarg hob
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/289 |
Zitationshilfe: | Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/289>, abgerufen am 16.07.2024. |