Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

That nicht ganz klug werden. Die Physiogno-
mie war von Eisen; doch ein Schloß, das sich
an der Seite befand, führte fast auf die Ver-
muthung, daß der Teufel noch ein zweites
Gesicht unter dem ersten verborgen hätte, wel-
ches er vielleicht nur für besondere Festtage
aufsparte. Das Schlimmste war, daß zu dem
Schlosse, und also auch zu diesem zweiten Ge-
sichte, der Schlüssel fehlte. Wer weiß was
sonst für fruchtbare Bemerkungen über Teufels-
physiognomien hätten gemacht werden können,
da hingegen das erste nur ein bloßes Alltags-
gesicht war, das der Teufel auf jedem Holz-
schnitte führt.

In dieser allgemeinen Verwirrung und bei
der Ungewißheit, ob man ein ächtes Teufels-
haupt vor sich habe, wurde beschlossen, daß
der Kopf dem Doktor Gall in Wien zugesandt
würde, damit er die untrüglichen satanischen
Protuberanzen an ihm aufsuchen möchte; jezt
mischte sich plötzlich die Kirche ins Spiel, und

That nicht ganz klug werden. Die Phyſiogno-
mie war von Eiſen; doch ein Schloß, das ſich
an der Seite befand, fuͤhrte faſt auf die Ver-
muthung, daß der Teufel noch ein zweites
Geſicht unter dem erſten verborgen haͤtte, wel-
ches er vielleicht nur fuͤr beſondere Feſttage
aufſparte. Das Schlimmſte war, daß zu dem
Schloſſe, und alſo auch zu dieſem zweiten Ge-
ſichte, der Schluͤſſel fehlte. Wer weiß was
ſonſt fuͤr fruchtbare Bemerkungen uͤber Teufels-
phyſiognomien haͤtten gemacht werden koͤnnen,
da hingegen das erſte nur ein bloßes Alltags-
geſicht war, das der Teufel auf jedem Holz-
ſchnitte fuͤhrt.

In dieſer allgemeinen Verwirrung und bei
der Ungewißheit, ob man ein aͤchtes Teufels-
haupt vor ſich habe, wurde beſchloſſen, daß
der Kopf dem Doktor Gall in Wien zugeſandt
wuͤrde, damit er die untruͤglichen ſataniſchen
Protuberanzen an ihm aufſuchen moͤchte; jezt
miſchte ſich ploͤtzlich die Kirche ins Spiel, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="26"/>
That nicht ganz klug werden. Die Phy&#x017F;iogno-<lb/>
mie war von Ei&#x017F;en; doch ein Schloß, das &#x017F;ich<lb/>
an der Seite befand, fu&#x0364;hrte fa&#x017F;t auf die Ver-<lb/>
muthung, daß der Teufel noch ein zweites<lb/>
Ge&#x017F;icht unter dem er&#x017F;ten verborgen ha&#x0364;tte, wel-<lb/>
ches er vielleicht nur fu&#x0364;r be&#x017F;ondere Fe&#x017F;ttage<lb/>
auf&#x017F;parte. Das Schlimm&#x017F;te war, daß zu dem<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e, und al&#x017F;o auch zu die&#x017F;em zweiten Ge-<lb/>
&#x017F;ichte, der Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el fehlte. Wer weiß was<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t fu&#x0364;r fruchtbare Bemerkungen u&#x0364;ber Teufels-<lb/>
phy&#x017F;iognomien ha&#x0364;tten gemacht werden ko&#x0364;nnen,<lb/>
da hingegen das er&#x017F;te nur ein bloßes Alltags-<lb/>
ge&#x017F;icht war, das der Teufel auf jedem Holz-<lb/>
&#x017F;chnitte fu&#x0364;hrt.</p><lb/>
        <p>In die&#x017F;er allgemeinen Verwirrung und bei<lb/>
der Ungewißheit, ob man ein a&#x0364;chtes Teufels-<lb/>
haupt vor &#x017F;ich habe, wurde be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
der Kopf dem Doktor Gall in Wien zuge&#x017F;andt<lb/>
wu&#x0364;rde, damit er die untru&#x0364;glichen &#x017F;atani&#x017F;chen<lb/>
Protuberanzen an ihm auf&#x017F;uchen mo&#x0364;chte; jezt<lb/>
mi&#x017F;chte &#x017F;ich plo&#x0364;tzlich die Kirche ins Spiel, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0028] That nicht ganz klug werden. Die Phyſiogno- mie war von Eiſen; doch ein Schloß, das ſich an der Seite befand, fuͤhrte faſt auf die Ver- muthung, daß der Teufel noch ein zweites Geſicht unter dem erſten verborgen haͤtte, wel- ches er vielleicht nur fuͤr beſondere Feſttage aufſparte. Das Schlimmſte war, daß zu dem Schloſſe, und alſo auch zu dieſem zweiten Ge- ſichte, der Schluͤſſel fehlte. Wer weiß was ſonſt fuͤr fruchtbare Bemerkungen uͤber Teufels- phyſiognomien haͤtten gemacht werden koͤnnen, da hingegen das erſte nur ein bloßes Alltags- geſicht war, das der Teufel auf jedem Holz- ſchnitte fuͤhrt. In dieſer allgemeinen Verwirrung und bei der Ungewißheit, ob man ein aͤchtes Teufels- haupt vor ſich habe, wurde beſchloſſen, daß der Kopf dem Doktor Gall in Wien zugeſandt wuͤrde, damit er die untruͤglichen ſataniſchen Protuberanzen an ihm aufſuchen moͤchte; jezt miſchte ſich ploͤtzlich die Kirche ins Spiel, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/28
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/28>, abgerufen am 27.11.2024.