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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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Todes an, um zulezt die Unsterblichkeit desto
glänzender hervorführen zu können, wie den
hellen strahlenden Sonnenaufgang nach der tief-
sten dunkelsten Nacht. Er war ganz in seine
Phantasieen vertieft und bemerkte es nicht,
daß sich um ihn her alle Gräber geöffnet hat-
ten, und die Schläfer unten boshaft lächelten,
doch ohne sich zu bewegen. Jezt stand er am
Uebergange und fing an die Posaunen zu bla-
sen und viele Zurüstungen zum jüngsten Tage
zu machen. Eben war er im Begriffe alle
Todte zu erwecken, da schien es als ob etwas
Unsichtbares seine Hand hielte, und er blickte
verwundert auf -- und unten in den Schlaf-
kammern lagen sie noch alle still und lächelten,
und niemand wollte erwachen. Schnell ergriff
er die Feder von neuem und rief heftiger und
sezte eine starke Begleitung von Donner und
Posaunenschall zu seiner Stimme -- umsonst,
sie schüttelten nur alle unmuthig unten und
wandten sich auf die andere Seite von ihm
weg, um ruhiger zu schlafen und ihm die

Todes an, um zulezt die Unſterblichkeit deſto
glaͤnzender hervorfuͤhren zu koͤnnen, wie den
hellen ſtrahlenden Sonnenaufgang nach der tief-
ſten dunkelſten Nacht. Er war ganz in ſeine
Phantaſieen vertieft und bemerkte es nicht,
daß ſich um ihn her alle Graͤber geoͤffnet hat-
ten, und die Schlaͤfer unten boshaft laͤchelten,
doch ohne ſich zu bewegen. Jezt ſtand er am
Uebergange und fing an die Poſaunen zu bla-
ſen und viele Zuruͤſtungen zum juͤngſten Tage
zu machen. Eben war er im Begriffe alle
Todte zu erwecken, da ſchien es als ob etwas
Unſichtbares ſeine Hand hielte, und er blickte
verwundert auf — und unten in den Schlaf-
kammern lagen ſie noch alle ſtill und laͤchelten,
und niemand wollte erwachen. Schnell ergriff
er die Feder von neuem und rief heftiger und
ſezte eine ſtarke Begleitung von Donner und
Poſaunenſchall zu ſeiner Stimme — umſonſt,
ſie ſchuͤttelten nur alle unmuthig unten und
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[276/0278] Todes an, um zulezt die Unſterblichkeit deſto glaͤnzender hervorfuͤhren zu koͤnnen, wie den hellen ſtrahlenden Sonnenaufgang nach der tief- ſten dunkelſten Nacht. Er war ganz in ſeine Phantaſieen vertieft und bemerkte es nicht, daß ſich um ihn her alle Graͤber geoͤffnet hat- ten, und die Schlaͤfer unten boshaft laͤchelten, doch ohne ſich zu bewegen. Jezt ſtand er am Uebergange und fing an die Poſaunen zu bla- ſen und viele Zuruͤſtungen zum juͤngſten Tage zu machen. Eben war er im Begriffe alle Todte zu erwecken, da ſchien es als ob etwas Unſichtbares ſeine Hand hielte, und er blickte verwundert auf — und unten in den Schlaf- kammern lagen ſie noch alle ſtill und laͤchelten, und niemand wollte erwachen. Schnell ergriff er die Feder von neuem und rief heftiger und ſezte eine ſtarke Begleitung von Donner und Poſaunenſchall zu ſeiner Stimme — umſonſt, ſie ſchuͤttelten nur alle unmuthig unten und wandten ſich auf die andere Seite von ihm weg, um ruhiger zu ſchlafen und ihm die

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/278>, abgerufen am 25.11.2024.