hochleben; leider nur verwandelte sich diese Freude der lebenden Akteurs in bitteres Leid für meine hölzernen.
Wir Direktoren erwachten nämlich in der folgenden Nacht von einem anhaltenden Ge- räusche, das vom Theater her erschallte; an- fangs schoben wir es auf Rollenneid, oder eine unter der Truppe ausgebrochene Kabale, als wir uns aber näher zu unterrichten suchten, fanden wir unten den Schulzen, dem ich eben das Haupt wieder auf dem Rumpfe befestigt hatte, mit dem Holofernes in der Hand, und von Gerichtsdienern begleitet, die die ganze Truppe im Namen des Staates zu Gefange- nen machten, weil man sie für politisch ge- fährlich erklärte. Alle meine Einreden waren vergeblich, und sie zogen vor meinen Augen mehrere Könige und Herren, als den Salomo, Herodes, David, Alexander u. f. m. aus dem Kasten um sie fortzuschleppen. So in- konsequent verfährt der Staat gegen seine eige-
hochleben; leider nur verwandelte ſich dieſe Freude der lebenden Akteurs in bitteres Leid fuͤr meine hoͤlzernen.
Wir Direktoren erwachten naͤmlich in der folgenden Nacht von einem anhaltenden Ge- raͤuſche, das vom Theater her erſchallte; an- fangs ſchoben wir es auf Rollenneid, oder eine unter der Truppe ausgebrochene Kabale, als wir uns aber naͤher zu unterrichten ſuchten, fanden wir unten den Schulzen, dem ich eben das Haupt wieder auf dem Rumpfe befeſtigt hatte, mit dem Holofernes in der Hand, und von Gerichtsdienern begleitet, die die ganze Truppe im Namen des Staates zu Gefange- nen machten, weil man ſie fuͤr politiſch ge- faͤhrlich erklaͤrte. Alle meine Einreden waren vergeblich, und ſie zogen vor meinen Augen mehrere Koͤnige und Herren, als den Salomo, Herodes, David, Alexander u. f. m. aus dem Kaſten um ſie fortzuſchleppen. So in- konſequent verfaͤhrt der Staat gegen ſeine eige-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0270"n="268"/>
hochleben; leider nur verwandelte ſich dieſe<lb/>
Freude der lebenden Akteurs in bitteres Leid<lb/>
fuͤr meine hoͤlzernen.</p><lb/><p>Wir Direktoren erwachten naͤmlich in der<lb/>
folgenden Nacht von einem anhaltenden Ge-<lb/>
raͤuſche, das vom Theater her erſchallte; an-<lb/>
fangs ſchoben wir es auf Rollenneid, oder<lb/>
eine unter der Truppe ausgebrochene Kabale,<lb/>
als wir uns aber naͤher zu unterrichten ſuchten,<lb/>
fanden wir unten den Schulzen, dem ich eben<lb/>
das Haupt wieder auf dem Rumpfe befeſtigt<lb/>
hatte, mit dem Holofernes in der Hand, und<lb/>
von Gerichtsdienern begleitet, die die ganze<lb/>
Truppe im Namen des Staates zu Gefange-<lb/>
nen machten, weil man ſie fuͤr politiſch ge-<lb/>
faͤhrlich erklaͤrte. Alle meine Einreden waren<lb/>
vergeblich, und ſie zogen vor meinen Augen<lb/>
mehrere Koͤnige und Herren, als den Salomo,<lb/>
Herodes, David, Alexander u. f. m. aus<lb/>
dem Kaſten um ſie fortzuſchleppen. So in-<lb/>
konſequent verfaͤhrt der Staat gegen ſeine eige-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[268/0270]
hochleben; leider nur verwandelte ſich dieſe
Freude der lebenden Akteurs in bitteres Leid
fuͤr meine hoͤlzernen.
Wir Direktoren erwachten naͤmlich in der
folgenden Nacht von einem anhaltenden Ge-
raͤuſche, das vom Theater her erſchallte; an-
fangs ſchoben wir es auf Rollenneid, oder
eine unter der Truppe ausgebrochene Kabale,
als wir uns aber naͤher zu unterrichten ſuchten,
fanden wir unten den Schulzen, dem ich eben
das Haupt wieder auf dem Rumpfe befeſtigt
hatte, mit dem Holofernes in der Hand, und
von Gerichtsdienern begleitet, die die ganze
Truppe im Namen des Staates zu Gefange-
nen machten, weil man ſie fuͤr politiſch ge-
faͤhrlich erklaͤrte. Alle meine Einreden waren
vergeblich, und ſie zogen vor meinen Augen
mehrere Koͤnige und Herren, als den Salomo,
Herodes, David, Alexander u. f. m. aus
dem Kaſten um ſie fortzuſchleppen. So in-
konſequent verfaͤhrt der Staat gegen ſeine eige-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/270>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.