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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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borenes Kind an ihrer Brust in den Schlaf zu
lullen; neben ihr stand ein irres Mädchen und
legte den Finger auf den Mund, wie wenn
sie mir Stille zuwinkte.

Jezt schläft es! sagte Ophelia und blickte
mich lächelnd an, und das Lächeln war mir,
wie wenn ich in ein aufgeworfenes Grab schau-
te. -- Gottlob, es giebt einen Tod, und da-
hinter liegt keine Ewigkeit! sprach ich unwill-
kührlich.

Sie lächelte fort und flüsterte nach einer
Pause, wie wenn die Sprache sich allmälig in
Hauche auflösen und leise verschwinden wollte:
Die Rolle geht zu Ende, aber das Ich bleibt,
und sie begraben nur die Rolle. Gottlob daß
ich aus dem Stücke herauskomme und meinen
angenommenen Namen ablegen kann; hinter
dem Stücke geht das Ich an! -- Es ist nichts!
sagte ich schüttelnd. -- Sie fuhr kaum hörbar
fort: Dort steht es schon hinter den Koulissen
und wartet auf das Stichwort; wenn nur der
Vorhang erst ganz nieder ist! -- Ach, ich

borenes Kind an ihrer Bruſt in den Schlaf zu
lullen; neben ihr ſtand ein irres Maͤdchen und
legte den Finger auf den Mund, wie wenn
ſie mir Stille zuwinkte.

Jezt ſchlaͤft es! ſagte Ophelia und blickte
mich laͤchelnd an, und das Laͤcheln war mir,
wie wenn ich in ein aufgeworfenes Grab ſchau-
te. — Gottlob, es giebt einen Tod, und da-
hinter liegt keine Ewigkeit! ſprach ich unwill-
kuͤhrlich.

Sie laͤchelte fort und fluͤſterte nach einer
Pauſe, wie wenn die Sprache ſich allmaͤlig in
Hauche aufloͤſen und leiſe verſchwinden wollte:
Die Rolle geht zu Ende, aber das Ich bleibt,
und ſie begraben nur die Rolle. Gottlob daß
ich aus dem Stuͤcke herauskomme und meinen
angenommenen Namen ablegen kann; hinter
dem Stuͤcke geht das Ich an! — Es iſt nichts!
ſagte ich ſchuͤttelnd. — Sie fuhr kaum hoͤrbar
fort: Dort ſteht es ſchon hinter den Kouliſſen
und wartet auf das Stichwort; wenn nur der
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[252/0254] borenes Kind an ihrer Bruſt in den Schlaf zu lullen; neben ihr ſtand ein irres Maͤdchen und legte den Finger auf den Mund, wie wenn ſie mir Stille zuwinkte. Jezt ſchlaͤft es! ſagte Ophelia und blickte mich laͤchelnd an, und das Laͤcheln war mir, wie wenn ich in ein aufgeworfenes Grab ſchau- te. — Gottlob, es giebt einen Tod, und da- hinter liegt keine Ewigkeit! ſprach ich unwill- kuͤhrlich. Sie laͤchelte fort und fluͤſterte nach einer Pauſe, wie wenn die Sprache ſich allmaͤlig in Hauche aufloͤſen und leiſe verſchwinden wollte: Die Rolle geht zu Ende, aber das Ich bleibt, und ſie begraben nur die Rolle. Gottlob daß ich aus dem Stuͤcke herauskomme und meinen angenommenen Namen ablegen kann; hinter dem Stuͤcke geht das Ich an! — Es iſt nichts! ſagte ich ſchuͤttelnd. — Sie fuhr kaum hoͤrbar fort: Dort ſteht es ſchon hinter den Kouliſſen und wartet auf das Stichwort; wenn nur der Vorhang erſt ganz nieder iſt! — Ach, ich

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/254>, abgerufen am 22.11.2024.