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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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Säbels in der Hand des eisenfesten Kriegs-
mannes, dazwischen schauete der Todte mit
seinem blassen starren Gesichte unbeweglich wie
eine Larve. Dann war es wieder tiefe Nacht,
und nur fern, im Hintergrunde der Nische ein
matter Schimmer und die knieende Mutter mit
den drei Kindern rang im verzweifelnden Ge-
bet.

Es ging alles still und ohne Worte zu; aber
jezt krachte es auf einmal zusammen, wie
wenn der Teufel die Oberhand erhielte. Die
Blitze wurden sparsamer und es blieb längere
Zeit Nacht. Nach einem Weilchen indeß fuh-
ren zwei rasch zur Thür heraus, und ich sah
es durch die Finsterniß bei dem Leuchten ihrer
Augen -- sie trugen wirklich einen Todten mit
sich fort.

Da stand ich, in mich hineinfluchend vor
der Thür; auf der Flur war es ganz finster,
keine Seele regte sich, und ich glaubte auch

Saͤbels in der Hand des eiſenfeſten Kriegs-
mannes, dazwiſchen ſchauete der Todte mit
ſeinem blaſſen ſtarren Geſichte unbeweglich wie
eine Larve. Dann war es wieder tiefe Nacht,
und nur fern, im Hintergrunde der Niſche ein
matter Schimmer und die knieende Mutter mit
den drei Kindern rang im verzweifelnden Ge-
bet.

Es ging alles ſtill und ohne Worte zu; aber
jezt krachte es auf einmal zuſammen, wie
wenn der Teufel die Oberhand erhielte. Die
Blitze wurden ſparſamer und es blieb laͤngere
Zeit Nacht. Nach einem Weilchen indeß fuh-
ren zwei raſch zur Thuͤr heraus, und ich ſah
es durch die Finſterniß bei dem Leuchten ihrer
Augen — ſie trugen wirklich einen Todten mit
ſich fort.

Da ſtand ich, in mich hineinfluchend vor
der Thuͤr; auf der Flur war es ganz finſter,
keine Seele regte ſich, und ich glaubte auch

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[22/0024] Saͤbels in der Hand des eiſenfeſten Kriegs- mannes, dazwiſchen ſchauete der Todte mit ſeinem blaſſen ſtarren Geſichte unbeweglich wie eine Larve. Dann war es wieder tiefe Nacht, und nur fern, im Hintergrunde der Niſche ein matter Schimmer und die knieende Mutter mit den drei Kindern rang im verzweifelnden Ge- bet. Es ging alles ſtill und ohne Worte zu; aber jezt krachte es auf einmal zuſammen, wie wenn der Teufel die Oberhand erhielte. Die Blitze wurden ſparſamer und es blieb laͤngere Zeit Nacht. Nach einem Weilchen indeß fuh- ren zwei raſch zur Thuͤr heraus, und ich ſah es durch die Finſterniß bei dem Leuchten ihrer Augen — ſie trugen wirklich einen Todten mit ſich fort. Da ſtand ich, in mich hineinfluchend vor der Thuͤr; auf der Flur war es ganz finſter, keine Seele regte ſich, und ich glaubte auch

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/24>, abgerufen am 24.11.2024.