Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht fehlen, daß dies Menschengeschlecht, das
auf seinen eigenen Schultern immer höher
kommt, oder sich, wie Münchhausen, bei sei-
nem eigenen Zopf emporzieht, zuletzt sich bis
in den Himmel verklettert, und es ganz un-
nöthig wird an einen zweiten zu denken. --
Hält der Zopf nur an diesem Menschheitskopfe
und ist kein falscher, wie der, an dem ich
wickele, was ist es denn noch nöthig auf ei-
nem andern Wege als auf diesem sich in eine
höhere Welt zu versetzen.

Was denken Sie auch dort zu gewinnen,
Freund? Bessere Gesetze etwa? Für unsere
hienieden spricht das Alter! Bessere Sitten?
Wir sind darin so empor gestiegen, daß wir
fast daraus hinausgekommen und über ihnen
stehen! Bessere Verfassungen? Haben sie
nicht, wie auf einer Landkarte die verschiede-
nen Farben, eine Menge vor sich liegen?
Gehen Sie nach Frankreich, Freund, wo die
Verfassungen mit den Moden wechseln, da

nicht fehlen, daß dies Menſchengeſchlecht, das
auf ſeinen eigenen Schultern immer hoͤher
kommt, oder ſich, wie Muͤnchhauſen, bei ſei-
nem eigenen Zopf emporzieht, zuletzt ſich bis
in den Himmel verklettert, und es ganz un-
noͤthig wird an einen zweiten zu denken. —
Haͤlt der Zopf nur an dieſem Menſchheitskopfe
und iſt kein falſcher, wie der, an dem ich
wickele, was iſt es denn noch noͤthig auf ei-
nem andern Wege als auf dieſem ſich in eine
hoͤhere Welt zu verſetzen.

Was denken Sie auch dort zu gewinnen,
Freund? Beſſere Geſetze etwa? Fuͤr unſere
hienieden ſpricht das Alter! Beſſere Sitten?
Wir ſind darin ſo empor geſtiegen, daß wir
fast daraus hinausgekommen und uͤber ihnen
ſtehen! Beſſere Verfaſſungen? Haben ſie
nicht, wie auf einer Landkarte die verſchiede-
nen Farben, eine Menge vor ſich liegen?
Gehen Sie nach Frankreich, Freund, wo die
Verfaſſungen mit den Moden wechſeln, da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0212" n="210"/>
nicht fehlen, daß dies Men&#x017F;chenge&#x017F;chlecht, das<lb/>
auf &#x017F;einen eigenen Schultern immer ho&#x0364;her<lb/>
kommt, oder &#x017F;ich, wie Mu&#x0364;nchhau&#x017F;en, bei &#x017F;ei-<lb/>
nem eigenen Zopf emporzieht, zuletzt &#x017F;ich bis<lb/>
in den Himmel verklettert, und es ganz un-<lb/>
no&#x0364;thig wird an einen zweiten zu denken. &#x2014;<lb/>
Ha&#x0364;lt der Zopf nur an die&#x017F;em Men&#x017F;chheitskopfe<lb/>
und i&#x017F;t kein fal&#x017F;cher, wie der, an dem ich<lb/>
wickele, was i&#x017F;t es denn noch no&#x0364;thig auf ei-<lb/>
nem andern Wege als auf die&#x017F;em &#x017F;ich in eine<lb/>
ho&#x0364;here Welt zu ver&#x017F;etzen.</p><lb/>
        <p>Was denken Sie auch dort zu gewinnen,<lb/>
Freund? Be&#x017F;&#x017F;ere Ge&#x017F;etze etwa? Fu&#x0364;r un&#x017F;ere<lb/>
hienieden &#x017F;pricht das Alter! Be&#x017F;&#x017F;ere Sitten?<lb/>
Wir &#x017F;ind darin &#x017F;o empor ge&#x017F;tiegen, daß wir<lb/>
fast daraus hinausgekommen und u&#x0364;ber ihnen<lb/>
&#x017F;tehen! Be&#x017F;&#x017F;ere Verfa&#x017F;&#x017F;ungen? Haben &#x017F;ie<lb/>
nicht, wie auf einer Landkarte die ver&#x017F;chiede-<lb/>
nen Farben, eine Menge vor &#x017F;ich liegen?<lb/>
Gehen Sie nach Frankreich, Freund, wo die<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ungen mit den Moden wech&#x017F;eln, da<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0212] nicht fehlen, daß dies Menſchengeſchlecht, das auf ſeinen eigenen Schultern immer hoͤher kommt, oder ſich, wie Muͤnchhauſen, bei ſei- nem eigenen Zopf emporzieht, zuletzt ſich bis in den Himmel verklettert, und es ganz un- noͤthig wird an einen zweiten zu denken. — Haͤlt der Zopf nur an dieſem Menſchheitskopfe und iſt kein falſcher, wie der, an dem ich wickele, was iſt es denn noch noͤthig auf ei- nem andern Wege als auf dieſem ſich in eine hoͤhere Welt zu verſetzen. Was denken Sie auch dort zu gewinnen, Freund? Beſſere Geſetze etwa? Fuͤr unſere hienieden ſpricht das Alter! Beſſere Sitten? Wir ſind darin ſo empor geſtiegen, daß wir fast daraus hinausgekommen und uͤber ihnen ſtehen! Beſſere Verfaſſungen? Haben ſie nicht, wie auf einer Landkarte die verſchiede- nen Farben, eine Menge vor ſich liegen? Gehen Sie nach Frankreich, Freund, wo die Verfaſſungen mit den Moden wechſeln, da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/212
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/212>, abgerufen am 24.11.2024.