"Es ist ein wunderlich Ding hier in mei- ner Hand, und wenn ichs von Sekunde zu Sekunde -- was sie dort ein Jahrhundert hei- ßen -- durch das Vergrößerungsglas betrachte, so hat sich's immer toller auf der Kugel ver- wirrt, und ich weiß nicht ob ich darüber lachen oder mich ärgern soll -- wenn beides sich nur überhaupt für mich schickte. Das Sonnenstäubchen, das daran herumkriecht, nennt sich Mensch; als ich es geschaffen hatte, sagte ich zwar der Sonderbarkeit wegen es sei gut -- übereilt war das freilich, indeß ich hatte nun einmal meine gute Laune, und al- les Neue ist hier oben in der langen Ewigkeit willkommen, wo es gar keinen Zeitvertreib giebt. -- Mit manchem was ich geschaffen, bin ich freilich noch jezt zufrieden, so ergözt mich die bunte Blumenwelt mit den Kindern die darunter spielen, und die fliegenden Blumen,
11
Monolog des wahnſinnigen Welt- ſchoͤpfers.
„Es iſt ein wunderlich Ding hier in mei- ner Hand, und wenn ichs von Sekunde zu Sekunde — was ſie dort ein Jahrhundert hei- ßen — durch das Vergroͤßerungsglas betrachte, ſo hat ſich’s immer toller auf der Kugel ver- wirrt, und ich weiß nicht ob ich daruͤber lachen oder mich aͤrgern ſoll — wenn beides ſich nur uͤberhaupt fuͤr mich ſchickte. Das Sonnenſtaͤubchen, das daran herumkriecht, nennt ſich Menſch; als ich es geſchaffen hatte, ſagte ich zwar der Sonderbarkeit wegen es ſei gut — uͤbereilt war das freilich, indeß ich hatte nun einmal meine gute Laune, und al- les Neue iſt hier oben in der langen Ewigkeit willkommen, wo es gar keinen Zeitvertreib giebt. — Mit manchem was ich geſchaffen, bin ich freilich noch jezt zufrieden, ſo ergoͤzt mich die bunte Blumenwelt mit den Kindern die darunter ſpielen, und die fliegenden Blumen,
11
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0163"n="161"/><p><hirendition="#c"><hirendition="#g">Monolog des wahnſinnigen Welt-<lb/>ſchoͤpfers.</hi></hi></p><lb/><p>„Es iſt ein wunderlich Ding hier in mei-<lb/>
ner Hand, und wenn ichs von Sekunde zu<lb/>
Sekunde — was ſie dort ein Jahrhundert hei-<lb/>
ßen — durch das Vergroͤßerungsglas betrachte,<lb/>ſo hat ſich’s immer toller auf der Kugel ver-<lb/>
wirrt, und ich weiß nicht ob ich daruͤber<lb/>
lachen oder mich aͤrgern ſoll — wenn beides<lb/>ſich nur uͤberhaupt fuͤr mich ſchickte. Das<lb/>
Sonnenſtaͤubchen, das daran herumkriecht,<lb/>
nennt ſich Menſch; als ich es geſchaffen hatte,<lb/>ſagte ich zwar der Sonderbarkeit wegen es ſei<lb/>
gut — uͤbereilt war das freilich, indeß ich<lb/>
hatte nun einmal meine gute Laune, und al-<lb/>
les Neue iſt hier oben in der langen Ewigkeit<lb/>
willkommen, wo es gar keinen Zeitvertreib<lb/>
giebt. — Mit manchem was ich geſchaffen, bin<lb/>
ich freilich noch jezt zufrieden, ſo ergoͤzt mich<lb/>
die bunte Blumenwelt mit den Kindern die<lb/>
darunter ſpielen, und die fliegenden Blumen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"rendition="#right">11</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[161/0163]
Monolog des wahnſinnigen Welt-
ſchoͤpfers.
„Es iſt ein wunderlich Ding hier in mei-
ner Hand, und wenn ichs von Sekunde zu
Sekunde — was ſie dort ein Jahrhundert hei-
ßen — durch das Vergroͤßerungsglas betrachte,
ſo hat ſich’s immer toller auf der Kugel ver-
wirrt, und ich weiß nicht ob ich daruͤber
lachen oder mich aͤrgern ſoll — wenn beides
ſich nur uͤberhaupt fuͤr mich ſchickte. Das
Sonnenſtaͤubchen, das daran herumkriecht,
nennt ſich Menſch; als ich es geſchaffen hatte,
ſagte ich zwar der Sonderbarkeit wegen es ſei
gut — uͤbereilt war das freilich, indeß ich
hatte nun einmal meine gute Laune, und al-
les Neue iſt hier oben in der langen Ewigkeit
willkommen, wo es gar keinen Zeitvertreib
giebt. — Mit manchem was ich geſchaffen, bin
ich freilich noch jezt zufrieden, ſo ergoͤzt mich
die bunte Blumenwelt mit den Kindern die
darunter ſpielen, und die fliegenden Blumen,
11
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/163>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.