spiel, der Mensch überschrieben, und zu- gleich der Absagebrief des Poeten an das Le- ben; dieser lautete so:
"Absagebrief an das Leben.
Der Mensch taugt nichts, darum streiche ich ihn aus. Mein Mensch hat keinen Ver- leger gefunden weder als persona vera noch ficta, für die lezte (meine Tragödie) will kein Buchhändler die Drukkosten herschießen, und um die erste, (mich selbst) bekümmert sich gar der Teufel nicht, und sie lassen mich verhungern, wie den Ugolino, in dem größten Hungerthurme, der Welt, von dem sie vor meinen Augen den Schlüssel auf immer in das Meer geworfen haben. Ein Glück ist's noch daß mir so viel Kraft übrig bleibt, die Zinne zu erklimmen und mich hinabzustürzen. Ich danke dafür, in diesem meinem Testa- mente, dem Buchhändler, der ob er gleich meinem Menschen nicht forthelfen wollte, mir
ſpiel, der Menſch uͤberſchrieben, und zu- gleich der Abſagebrief des Poeten an das Le- ben; dieſer lautete ſo:
„Abſagebrief an das Leben.
Der Menſch taugt nichts, darum ſtreiche ich ihn aus. Mein Menſch hat keinen Ver- leger gefunden weder als persona vera noch ficta, fuͤr die lezte (meine Tragoͤdie) will kein Buchhaͤndler die Drukkoſten herſchießen, und um die erſte, (mich ſelbſt) bekuͤmmert ſich gar der Teufel nicht, und ſie laſſen mich verhungern, wie den Ugolino, in dem groͤßten Hungerthurme, der Welt, von dem ſie vor meinen Augen den Schluͤſſel auf immer in das Meer geworfen haben. Ein Gluͤck iſt’s noch daß mir ſo viel Kraft uͤbrig bleibt, die Zinne zu erklimmen und mich hinabzuſtuͤrzen. Ich danke dafuͤr, in dieſem meinem Teſta- mente, dem Buchhaͤndler, der ob er gleich meinem Menſchen nicht forthelfen wollte, mir
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ſpiel, der Menſch uͤberſchrieben, und zu-
gleich der Abſagebrief des Poeten an das Le-
ben; dieſer lautete ſo:
„Abſagebrief an das Leben.
Der Menſch taugt nichts, darum ſtreiche
ich ihn aus. Mein Menſch hat keinen Ver-
leger gefunden weder als persona vera noch
ficta, fuͤr die lezte (meine Tragoͤdie) will
kein Buchhaͤndler die Drukkoſten herſchießen,
und um die erſte, (mich ſelbſt) bekuͤmmert
ſich gar der Teufel nicht, und ſie laſſen mich
verhungern, wie den Ugolino, in dem groͤßten
Hungerthurme, der Welt, von dem ſie vor
meinen Augen den Schluͤſſel auf immer in
das Meer geworfen haben. Ein Gluͤck iſt’s
noch daß mir ſo viel Kraft uͤbrig bleibt, die
Zinne zu erklimmen und mich hinabzuſtuͤrzen.
Ich danke dafuͤr, in dieſem meinem Teſta-
mente, dem Buchhaͤndler, der ob er gleich
meinem Menſchen nicht forthelfen wollte, mir
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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/142>, abgerufen am 24.11.2024.
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